Johann Wadephul hat sich einmal mehr in die Nesseln gesetzt. Weil er empathisch reagierte, als er letzte Woche zwischen Häusergerippen und Schuttbergen in Harasta stand. Auch in diesem Vorort der syrischen Hauptstadt Damaskus haben 13 Jahre blutiger Bürgerkrieg kaum einen Stein auf dem andern gelassen.
Kameras und Mikrophone fingen Wadephuls Erschütterung über das enorme Ausmass der Zerstörung ein. Und die Aussagen, dass er die Rückkehr von Syrerinnen und Syrern – Zitat – «zum jetzigen Zeitpunkt nur sehr eingeschränkt für möglich» halte, dass dort Menschen nicht würdig leben könnten.
Machtwort des Kanzlers
Wadephul erweckt den wahrscheinlich nicht ganz unrealistischen Eindruck, dass es noch dauern könnte mit der freiwilligen Ausreise syrischer Bürgerinnen und Bürger von Deutschland zurück in ihre Heimat. Dass sich der Aussenminister dabei gar nicht auf die Abschiebung von Straftätern oder Gefährdern bezogen hat, geht in der sich aufbauenden Empörungswelle in den eigenen Reihen unter.
Es gibt nun keinerlei Gründe mehr für Asyl in Deutschland
Viele ärgern sich masslos über Wadephul. Denn CDU und CSU wollen Tempo machen bei Ausschaffungen. Vor den Landtagswahlen in verschiedenen Bundesländern nächstes Jahr soll niemand auf den Gedanken kommen, die harte Linie der Union in der Migrationspolitik werde verwässert. Bei CDU/CSU fremdeln viele mit ihrem Aussenminister. Schon in der Kontroverse um den Krieg in Gaza hatte Wadephul für Irritationen gesorgt. Auch damals hagelte es Kritik. In der Syrien-Frage bemühen sich nun aber auch etliche Unionspolitiker um Deeskalation, es gebe keinen Dissens, man verfolge eine gemeinsame Linie. Diese unterstreicht der Kanzler selbst mit einem Machtwort. «Es gibt nun keinerlei Gründe mehr für Asyl in Deutschland», betonte Friedrich Merz, deshalb könne mit Rückführungen begonnen werden.
Wenig wirklich Ausreisepflichtige
Ist damit der Geist zurück in der Flasche? Nach Angaben des Innenministeriums leben derzeit 951‘406 Menschen aus Syrien in Deutschland. Nur gerade 920 syrische Staatsbürgerinnen und Staatsbürger sind unmittelbar ausreisepflichtig. Beim aller grössten Teil der von Syrien nach Deutschland Geflüchteten geht es also um eine freiwillige Rückkehr.
Johann Wadephul hat sich, als bislang einziges Kabinettsmitglied, selbst ein Bild vor Ort gemacht. Vielleicht hat der Aussenminister danach nur eine unbequeme Wahrheit ausgesprochen: dass es eben dauern könnte, mit der freiwilligen Rückkehr in Ruinen.