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Sturm auf Kapitol Ist Trump der Mann, der die Republikaner ins Verderben reisst?

«Wenn wir Trump nominieren, werden wir zerstört werden… Und wir werden es verdienen.» Das twitterte der republikanische Senator Lindsey Graham ein halbes Jahr bevor Donald Trump Präsident der USA wurde. Er meinte damit die Republikanische Partei. Die Partei von Abraham Lincoln. Die Partei, die – kurz vor dem Bürgerkrieg gegründet – gegen die Sklaverei kämpfte. Die Partei, die «Grand Old Party» (GOP) genannt wird. Heute fragen sich viele: Ist Trump der Mann, der die GOP zugrunde richtet?

Wehrten sich viele Republikaner zunächst gegen den Kandidaten Donald Trump, hat sich die GOP bald in eine Trump-Partei verwandelt. Auch Lindsey Graham wurde zum Trump-Loyalen. Kaum jemand widersprach dem Präsidenten, denn er riskierte, von Trump niedergemacht und von den Wählerinnen und Wählern abgestraft zu werden.

Trumps einzigartige Überzeugungskraft

Trump brachte für die Republikaner eine unglaubliche Zahl von neuen Wählern an die Urnen. Die Partei hat ihre Seele einem Mann mit einzigartigem politischem Instinkt und Überzeugungskraft, aber umso weniger Prinzipien und Persönlichkeit verkauft.

Doch in diesen Tagen distanzieren sich mehrere hochrangige Republikaner vom Präsidenten. Erst jetzt, wo Trump wenige Tage vor dem Ende seiner Amtszeit steht. So wirkt das mehr wie Opportunismus als Prinzipientreue. Aber nichtsdestotrotz riskieren sie damit, Trump-Anhänger zu vergraulen und setzen auf die Demokratie.

«Wenn es vorbei ist, ist es vorbei»

Lindsey Graham – erst gerade noch mit Trump auf dem Golfplatz – sagt nun: «Wenn es vorbei ist, ist es vorbei.» Biden habe die Wahl rechtmässig gewonnen. Vizepräsident Mike Pence distanziert sich ebenfalls. Mitch McConnell, der republikanische Mehrheitsführer im Senat, fordert seine Parteimitglieder in einer starken Rede auf, Bidens Sieg zu bestätigen.

Doch diese Politiker haben Trump über Jahre nicht widersprochen. Auch nicht, als Trump immer wieder behauptete, dass die Wahl gefälscht sei. Millionen Menschen haben Trump wiedergewählt. Viele von ihnen wollten schlicht eine konservative Politik: für tiefe Steuern, gegen Abtreibung, für das Recht, Waffen zu tragen. Doch für einen Teil der Wähler ist Donald Trump fast ein Heiliger, der gegen die korrupte Elite kämpft. Sie glauben die falsche Behauptung des US-Präsidenten, dass die Wahl gestohlen wurde. Diese Wähler geben ihre Stimme nicht der Partei – sondern ihrem Idol.

Das Dilemma der Republikaner

Die Republikaner stecken im Dilemma: Ohne die von Trump mobilisierten Wähler fürchten sie, keine Mehrheiten mehr gewinnen zu können. Denn in vielen Regionen der USA ändert sich die Bevölkerungsstruktur zuungunsten der Republikaner. Mehr Menschen ziehen in den Grossraum der Städte, der Anteil von Schwarzen und Latinos steigt. Eine Entwicklung, die sich eben in Georgia gezeigt hat: Die Demokraten konnten einen bisher republikanischen Staat gewinnen. Umgekehrt hat die Persönlichkeit Trumps bei der Präsidentschaftswahl gemässigte Wählende vergrault.

Die GOP steht vor einer Zerreissprobe. Es muss im Interesse der Republikaner sein, eine Spaltung zu verhindern. Denn dies würde es umso mehr verunmöglichen, eine Mehrheit zu gewinnen. Es ist auch wahrscheinlich, dass Trump seinen Einfluss durch eine Art Opposition weiter geltend machen wird. Damit dürfte die grosse, schwierige Aufgabe der Republikaner sein, das Profil der GOP neu zu erfinden.

Chance für Brückenbauer

Doch vielleicht gibt es nach den Jahren des Sprengmeisters im Weissen Haus auch eine Chance für Brückenbauer. Republikaner wie Mitt Romney, der als einer der wenigen Donald Trump widersprochen hat, könnten mit gemässigten Demokraten zusammenarbeiten. Indem Politiker überparteiliche Kompromisse schmieden und Projekte etwa im Bereich Infrastruktur aufgleisen, die in den letzten Jahren blockiert waren, könnten sie Vertrauen schaffen.

Wenn kaputte Brücken repariert werden und die Politiker vorweisen können, was sie für die Menschen konkret verbessern, könnten sie in der gespaltenen Gesellschaft Gräben überwinden. Denn das ist eines der grössten Anliegen einer Mehrheit der Menschen in den Vereinigten Staaten von Amerika.

Viviane Manz

USA-Korrespondentin

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Die promovierte Juristin arbeitet seit 2005 bei SRF. Seit Frühjahr 2021 ist Viviane Manz USA-Korrespondentin von SRF in New York.

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Tagesschau, 07.01.2020, 12.45 Uhr

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