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Südkoreanische Waffen Panzer und Munition aus Ostasien für den Krieg in Europa

Seit dem russischen Angriff auf die Ukraine suchen die Unterstützer der Ukraine nach Waffen und Munition. Sie landen dabei immer öfter in Südkorea.

Mit ohrenbetäubendem Lärm fliegen südkoreanische Kampfjets im Tiefflug über den Armeeflugplatz der Hauptstadt Seoul. Auf dem Rollfeld halten sich die Besucherinnen und Besucher der grossen Rüstungsmesse ADEX die Ohren zu. 

Der PR-Verantwortliche für die Rüstungsmesse, Hwang Sang-uk, ist zufrieden: «Wir haben so viele Aussteller wie noch nie und erwarten auch einen Rekord an ausländischen Gästen.» Das sei eine Auswirkung des Krieges in der Ukraine. Dass Polen als erster EU-Staat einen Grossauftrag an Südkoreas Waffenhersteller vergeben hat, habe das Interesse zusätzlich befeuert.

Zu den ganz Grossen zählen

Mit dem Interesse sind auch die Ambitionen der Regierung in Seoul gestiegen. Präsident Yoon Suk-yeol hat diesen Sommer angekündigt, dass Südkorea bis 2027 der viertgrösste Waffenexporteur der Welt werden soll: hinter den USA, Russland und Frankreich – noch vor Deutschland und Grossbritannien, die heute noch deutlich grösser sind.

Hanwha Aerospace ist einer der grossen Waffenproduzenten. Der Konzern stellt U-Boote, Kampfjetantriebe und Panzerhaubitzen her. Über 600 Haubitzen hat Polen bei der Firma bestellt.

An einer Rüstungsmesse sind koreanische Panzerhaubitzen K9 ausgestellt.
Legende: Polen bestellte über 600 Stück der südkoreanischen Panzerhaubitzen K9. In seiner Kategorie ist dieses Kriegsgerät Weltmarktführer. SRF

Die ersten hat der Waffenhersteller bereits kurz nach der Vertragsunterzeichnung ausgeliefert. Diese Geschwindigkeit sei entscheidend, meint der Kommunikationsverantwortliche Jung Se-jin: «Unsere Möglichkeit, schnell liefern zu können, dürfte das wichtigste Argument gewesen sein, dass wir den Auftrag aus Polen erhalten haben.»

Die polnische Regierung bestätigt dies. Hersteller in Südkorea können viel schneller Waffensysteme liefern als die europäische und US-amerikanische Konkurrenz. Das liege an den anhaltenden militärischen Spannungen mit Nordkorea, erklärt der Hanwha-Aerospace-Vertreter.

Krieg mit Nordkorea wurde nie beendet

Das Verhältnis zu Nordkorea sei tatsächlich ausschlaggebend, sagt Choi Gi-il, Professor für Militärwissenschaften von der Sangji Universität und Berater des südkoreanischen Geheimdienstes. «Vor 70 Jahren wurde das Waffenstillstandsabkommen unterschrieben. Aber formal befinden wir uns eigentlich noch im Krieg mit Nordkorea.»

Militärwissenschaftler Choi Gi-il steht vor einem Gebäude mit einer grossen Glastür.
Legende: Militärwissenschaftler Choi Gi-il ist Berater des südkoreanischen Geheimdienstes. Wegen des Konflikts mit Nordkorea unterhalte Südkorea eine grosse Militärindustrie. SRF

Deshalb habe Südkorea seit jeher seine Produktionskapazitäten in der Waffenindustrie hochgehalten. Dies im Gegensatz zu westlichen Ländern, die nach dem Ende des Kalten Krieges ihre Kapazitäten reduziert hätten.

Kritik von Freunden

Dass südkoreanische Waffen plötzlich global gefragt sind, habe aber auch Nachteile, sagt der Militärwissenschaftler. Zum Beispiel nehme er beim Verbündeten USA eine gewisse Skepsis wahr: «Dies mit Blick auf eine mögliche Konkurrenzsituation der südkoreanischen und der US-Waffenhersteller im Nahen Osten oder Europa.»

Die Befürchtungen kommen nicht von ungefähr. Haubitzen-Lieferant Hanwha Aerospace etwa will weiter in Europa, Australien und auch in die USA seine Waffen verkaufen. Das wird kaum möglich sein, ohne anderen Herstellern Aufträge streitig zu machen.

Militärfahrzeuge sind an der Rüstungsmesse in Seoul ausgestellt.
Legende: Seoul ADEX: Die Rüstungsmesse in Seoul war dieses Jahr so gross wie noch nie. Das Interesse ist mit dem Krieg in der Ukraine sprunghaft gestiegen. SRF

Der PR-Verantwortliche der Rüstungsmesse hat für den neuen koreanischen Exportschlager bereits einen Überbegriff, in Anlehnung an die weltweit erfolgreiche K-Pop-Musik: Er spricht von K-Defence. Der Grossauftrag aus Polen und die rekordgrosse Rüstungsmesse seien der Startschuss für die K-Defence-Exporte.

Echo der Zeit, 19.12.2023, 18 Uhr;kobt

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