Seit Mitternacht ist Schluss. Humanitäre Hilfe über die beiden türkisch-syrischen Grenzübergänge Bab al-Hawa und Bab al-Salam in die Regionen Aleppo und Idlib kann nicht mehr geliefert werden. Der Uno-Chefsprecher macht klar: Ohne eine Uno-Resolution fehlt die rechtliche Grundlage für eine Fortsetzung der Unterstützung.
Keine Rettung in letzter Not
Bisher erlaubte eine solche Resolution die grenzüberschreitende Direkthilfe. Zunächst auch über Grenzübergänge zu Jordanien und Irak. Russland sorgte jedoch schon 2019 dafür, dass dort die Hilfslieferungen unterbunden wurden. Am Freitag lief nun die Resolution aus, die wenigstens die Unterstützung über die Türkei weiterhin ermöglichte. Ein deutsch-belgischer Resolutionsentwurf wollte sie verlängern. Dreizehn der fünfzehn Mitglied im Uno-Sicherheitsrat stimmten zu. Doch das half nichts. Denn Russland und China verweigerten mit ihrem Veto ihre Zustimmung. Ein russischer Antrag, der die humanitären Hilfslieferungen auf einen einzigen und aufgrund der Kämpfe stark gefährdeten türkisch-syrischen Grenzübergang begrenzen wollte, fand ebenfalls keine Zustimmung.
Was will Russland, die entscheidende Kraft hinter der Blockade, erreichen, indem es die ausländische Direkthilfe am liebsten ganz verhindert oder zumindest stark einschränkt? Laut Moskauer Lesart braucht es diese gar nicht mehr. Inzwischen könne ganz Syrien über die Regierung von Präsident Baschar al-Assad versorgt werden. Zudem werde die Souveränität des Regimes beschnitten, wenn Hilfe über nicht von ihm kontrollierte Grenzübergänge erfolge.
Die Interessen Russlands
Im Grund geht es Russland indes darum, dass das Assad-Regime die gesamte humanitäre Hilfe aus dem Ausland steuern kann. Die Steuerung erfolgt so - wenig erstaunlich -, dass praktisch nur Bevölkerungsgruppen Unterstützung erhalten, die dem Assad-Lager nahestehen. Die Menschen in den Rebellengebieten hingegen bekommen wenig bis nichts. Sie werden also ausgehungert.
Damit wird die humanitäre Hilfe im Syrien-Konflikt vollends politisiert. Der Hunger wird zur Waffe, um die Menschen zur Flucht aus den Rebellengebieten zu nötigen. Kein Wunder, dass besonders Nichtregierungsorganisationen – Hilfswerke und Menschenrechtsorganisationen – entsetzt und empört reagieren. Zumindest vorläufig können nun 2,8 Millionen Menschen nicht länger mit dem Nötigsten versorgt werden. Uno-Generalsekretär Antonio Guterres betont in einem Bericht, es gebe keine Alternative zu den grenzüberschreitenden Hilfsoperationen.
Zynische Matchtspiele
Das Machtspiel, das Russland, unterstützt von China, im Uno-Sicherheitsrat durchzieht, ist umso zynischer, als just diese beiden Länder eben noch die US-Sanktionen gegen Syrien im Namen der Menschlichkeit verurteilten, da sie das Leid im Land vergrösserten.
Zwar wird im Sicherheitsrat weiterverhandelt. Auch jetzt, nach dem Ablaufen der Frist zur Verlängerung der Resolution. Doch es ist völlig offen, ob sich eine neue Lösung finden lässt. Eine, die es tatsächlich erlaubt, so rasch und so umfassend zu helfen, wie es nötig wäre.