Präsident Assad mag zwar den syrischen Bürgerkrieg gewonnen haben. Doch davon, auch den Frieden zu gewinnen, ist Assad meilenweit entfernt. Nun steht der syrische Präsident vor einem neuen Problem: Die Wirtschaft in seinem Land bricht gerade krachend zusammen.
«Vor einem Monat haben wir für einen Sack Brot noch 250 Pfund bezahlt. Heute kostet ein Sack Brot 1000 Pfund. Wer soll das bezahlen?» Yasser Al-Halabi steht vor einer Bäckerei in Idlib, in der Hand ein paar Geldnoten und ein paar Brote. Die syrische Währung ist im freien Fall, die Menschen können sich immer weniger leisten: «Unsere Kinder müssen am Abend ins Bett gehen, ohne Brot gegessen zu haben.» Al-Halabi reckt beide Hände in den Himmel. «Wie sollen wir normalen Menschen so überleben?»
Dass sich der Brotpreis vervierfacht hat, geschah nicht nur in der nach wie vor umkämpften Provinz im Nordwesten Syriens, in der Präsident Assad nicht mehr das Sagen hat, sondern auch dort, wo das Regime die Kontrolle zurückgewonnen hat.
Die Regierung in Damaskus musste ob dem wirtschaftlichen Zerfall schnell die Schutzmassnahmen vor dem Coronavirus wieder ausser Kraft setzen. Immer mehr Syrer sind inzwischen auf Tagelohn-Arbeit angewiesen, um zu überleben. Unter Lockdown-Massnahmen drohten sie zu verhungern.
Damaskus ist abhängig von aussen
In Suwayda, einem Gebiet südlich von Damaskus, gingen die dort ansässigen Drusen gar auf die Strasse, um gegen Assad zu protestieren. Assad hat den Protest in gewohnter Brutalität erstickt, doch dass er letzte Woche seinen Premierminister, Imad Khamis, entlassen hat, zeigt, wie sehr er sich durch die Wirtschaftskrise und die neue Opposition bedroht fühlt.
Neun Jahre Krieg haben Syrien abhängig gemacht von Hilfe von aussen. Dass der Iran, der Hauptgeldgeber von Präsident Assad, selbst immer mehr unter seiner eigenen Wirtschaftskrise leidet, ja dass sich die iranische Wirtschaftskrise aufgrund der amerikanischen Sanktionen sowie der durch Corona beschleunigten Rezession dramatisch verschärft hat, spürt Damaskus direkt: Weniger Geld in Teheran bedeutet weniger Geld in Damaskus.
85 Prozent der Syrer leben in Armut
Gleichzeitig leidet Syrien unter dem Zusammenbruch der libanesischen Wirtschaft: Ein Grossteil der syrischen Geschäfte wurden über den kleinen Nachbarn abgewickelt. Der Kollaps des libanesischen Bankensystems führte in Syrien dazu, dass der Nachschub an Gütern und Devisen einbrach.
Charles Lister vom «Middle East Institute» hat in einem Aufsatz für das Magazin «Politico» ausgerechnet, dass mindestens 85 Prozent der Syrer in Armut leben. «Mit einem durchschnittlichen Monatseinkommen kann man in Syrien heutzutage vielleicht eine Wassermelone kaufen, oder zwei Pfund Zitronen», so Lister.
Opposition hofft
Die Opposition spürt darob plötzlich neue Hoffnung. «Natürlich wird die Wirtschaftskrise allein das Regime nicht stürzen. Aber wir müssen alle Mittel einsetzen – militärische, ökonomische, und politische – um das Regime zu Fall zu bringen.»
Abdulhakim Almassri amtet als Finanzminister der oppositionellen Übergangsregierung in Idlib. Charles Lister pflichtet bei: «Präsident Assad ist momentan so geschwächt wie kaum zuvor.» Auch wenn dies zutreffen mag, darf man allerdings nicht vergessen: Assad hat bislang noch jedem Druck getrotzt.