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Terror in Christchurch Neuseeland verpasste die Gefahr von rechts

Das Massaker von Christchurch im letzten Jahr war unter dem Radar der neuseeländischen Sicherheitsbehörden und der Polizei vorbereitet worden. Zu diesem Schluss kommt eine Untersuchung.

Die Untersuchungskommission hatte ihre Arbeit nur Tage nach der Tat begonnen und sich mit der Frage beschäftigt, inwieweit die Sicherheitsdienste – der neuseeländische Nachrichtendienst (SIS) und das Amt für Kommunikation und Sicherheit der Regierung (GCSB) – von der Bedrohung wussten oder hätten wissen müssen, die vom 30-jährigen Attentäter Brenton Tarrant ausging.

Attentat nicht verhinderbar

Bis zum 15. März hätten beide Behörden ihre Terrorismusbekämpfung auf den islamischen Extremismus ausgerichtet – wobei die «Vorherrschaft der Weissen» (White Supremacy) damals nur als eine Randbedrohung betrachtet wurde, so die Untersuchung.

Werdegang eines Terroristen

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Die Untersuchungskommission hatte den Terroristen Brenton Tarrant in seiner Zelle befragt. Danach hat der Australier schon als Kind rassistisches Verhalten gezeigt, vor allem in Bezug auf die Einwanderung und den Zuzug von Muslimen in westliche Länder. Schliesslich «mobilisierte er zur Gewalt», heisst es im Bericht.

Tarrant nutzte mehrere hunderttausend Dollar, die ihm sein Vater Rodney vor dessen Selbstmord im April 2010 gegeben hatte, um ausgedehnte Reisen zu unternehmen. Entgegen früherer Berichte gäbe es jedoch keine Hinweise darauf, dass er sich auf seinen Reisen mit extremistischen Gruppen traf, potenzielle Ziele ausspionierte oder an extremistischen Schulungen teilnahm.

Die Untersuchung gelangt zum Schluss, dass die Reisen seine rassistischen Ansichten nicht in grossem Masse schürten.

Er sei ein Anhänger und prominenter Kommentator auf den Facebook-Seiten der in Australien ansässigen rechtsextremen Gruppen United Patriots Front und The True Blue Crew gewesen, hält der Bericht fest.

Er besuchte auch die umstrittenen Online-Bulletin Boards 4chan und 8chan. Eine Kopie des Manifests des Osloer Rechtsterroristen Anders Behring Breivik wurde später auf einer von Tarrants Speicherkarten gefunden.

Trotz dieser Feststellungen hätte nichts getan werden können, um die Anschläge zu stoppen, kommt der Bericht zum Schluss. Die Generaldirektorin des SIS, Rebecca Kitteridge, sagte, man habe innerhalb der Regierungsbehörden keine Versäumnisse festgestellt. Es könnten aber «viele Lehren» daraus gezogen werden. «Wichtige Bereiche» müssten geändert werden.

Sie entschuldigte sich bei der muslimischen Gemeinde, weil sie sich «von den Sicherheitsbehörden ins Visier genommen» oder sich «verdächtigt» fühlten.

Auch Jacinda Ardern entschuldigt sich

Heftige Kritik übt der Bericht an der Polizei. Ein veraltetes, ineffizientes und «bürokratisches» Lizenzierungssystem habe es Tarrant erlaubt, ein «Arsenal» von Waffen zu erwerben. Der Terrorist hatte halbautomatische Gewehre zur Ausübung der Tat gekauft. Kurze Zeit nach dem Amoklauf führte Neuseeland strikte Waffengesetze ein.

Premierministerin Jacinda Ardern und Polizeikommandant Andrew Coster entschuldigten sich für die Versäumnisse. Die Regierung wolle alle 44 von der Kommission gemachten Empfehlungen umsetzen, einschliesslich die Schaffung einer neuen Ministerrolle, der künftig die Verantwortung und Rechenschaftspflicht übertragen werde, die Antiterrormassnahmen des Landes zu leiten und zu koordinieren. Der Bericht fordert zudem die Einrichtung eines neuen nationalen Nachrichten- und Sicherheitsdienstes, der strategische Nachrichten- und Sicherheitsführungsfunktionen übernehmen soll.

Der Rechtsextremist Brenton Tarrant hatte in zwei Moscheen der Stadt Christchurch 51 muslimische Betende erschossen und viele weitere verletzt. Der Australier gab islamophobe, rassistische Motive als Grund für die Tat an. Der 30-Jährige wurde im August zu lebenslanger Haft ohne Chance auf Bewährung verurteilt.

Radio SRF 4 News, 9.12.2020, 8:50 Uhr

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