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Terrormiliz in Syrien Ein IS-Anführer stirbt – das Netzwerk lebt weiter

Die USA töten ein ranghohes IS-Mitglied. Doch die Terrorgruppe hat sich im Machtgefüge in Syrien eingenistet.

In der Nacht auf Dienstag ist in Syrien ein ranghohes Mitglied des sogenannten «Islamischen Staates» von einer US-Drohne getötet worden. Sein Name: Khalid Al-Jabouri. Er soll in der Vergangenheit mehrere Attacken in Europa geplant haben, hiess es in einer Mitteilung der amerikanischen Streitkräfte.

Khaled Al-Jabouri ist der Öffentlichkeit wenig bekannt. Und dennoch scheint er eine genügend wichtige Person in der Führungsriege des IS gewesen zu sein, sodass die USA ihn mit einer Drohne töteten.

Das komme nicht von ungefähr, sagt der Dschihadismus-Experte Jerome Drevon: «Der IS hat in den letzten Jahren praktisch die gesamte Führung verloren. Einerseits im Kampf, andererseits durch Drohnenattacken», so der Analyst der International Crisis Group.

Abu Bakr al-Baghdadi
Legende: Abu Bakr al-Baghdadi war jahrelang das Gesicht des IS. 2019 wurde er in Syrien von einem US-Sondereinsatzkommando getötet. Keystone/US-Verteidigungsministerium (Archiv)

Die Terrormiliz befördere nun altgediente Kämpfer niederer Ränge in höhere Positionen, die zwar schon seit mehreren Jahren beim IS mit dabei sind, aber weniger gut vernetzt sind. «Dazu zählt auch Al-Jabouri», so Drevon.

Unbekannte Figuren in der Führungsriege

Auf der anderen Seite sei die Tatsache, dass die neue Führungsriege aus mehrheitlich unbekannten Figuren bestehe, auch ein Vorteil für die Terrorgruppe. Denn diese seien viel schwieriger zu lokalisieren und zu identifizieren. «Der IS kann so viel besser aus dem Untergrund agieren», sagt Drevon.

Diese Terroristen könnten sich freier bewegen und zum Beispiel einfacher in den Flüchtlingslagern untertauchen. Dort gingen viele Menschen ein und aus – somit sei es schwierig, den Überblick zu behalten.

Profiteure des Elends in Syrien

Der IS sei keineswegs verschwunden aus Syrien, er habe sich transformiert, sagt der Dschihadismus-Experte der International Crisis Group. Was das genau bedeute, erklärt Drevon schrittweise: Syrien sei seit dem Bürgerkrieg in verschiedene Einflussgebiete unterteilt. Und diese Zersplitterung des Landes wisse der IS zu nutzen.

Die Flüchtlingslager im Westen dienten der Terrororganisation hauptsächlich zur Rekrutierung neuer Kämpfer. Der Osten, das frühere Rückzugsgebiet des IS, sei mehr für die Finanzierung der Organisation wichtig, durch das Eintreiben von Steuern oder Schmiergeldern.

Flüchtlingslager in der Provinz Idlib.
Legende: Seit 2011 hat der Krieg in Syrien zu unermesslichem Leid geführt. Mehr als eine halbe Million Menschen haben nach Schätzungen ihr Leben verloren, rund 13 Millionen mussten ihre Heimat verlassen. Im Bild: Flüchtlingslager in der Provinz Idlib. Keystone/EPA/Yahya Nemah

Den Norden nutze die Organisation, um Waffen und Gelder ins Land zu schmuggeln. Und das Gebiet um Idlib, das von der HTS, einer ehemaligen Verbündeten des Terrornetzwerkes Al-Kaida kontrolliert wird, nutzt der IS als Unterschlupf.

Genau dort wurde auch Khalid al-Jabouri getötet. Kein Zufall, sagt Drevon: «Obwohl sich die HTS von der Al-Kaida abgewendet hat und im Bürgerkrieg gegen den IS kämpft, ist es heute einfacher, IS-Kämpfer in deren Einflussgebiet zu verstecken.» Denn die HTS könne aufgrund ihrer Vergangenheit nicht von geheimdienstlichen Informationen der USA profitieren, wie dies andere Gruppierungen im Osten des Landes könnten.

Das Netzwerk nistet sich ein

Somit hat sich der IS gut eingenistet im neuen Machtgefüge in Syrien. Und obwohl die Organisation sicherlich nicht mehr dieselbe Schlagkraft hat wie noch zu ihrer Blütezeit vor 2019, gewinnt der IS wieder an Bedeutung in Syrien.

In solchen asymmetrischen Konflikten, brauchen Terrornetzwerke nur zu überleben, um zu gewinnen.
Autor: Jerome Drevon International Crisis Group

Oder wie es Jerome Drevon von der International Crisis Group sagt: «In solchen asymmetrischen Konflikten, brauchen Terrornetzwerke nur zu überleben, um zu gewinnen.» Und der IS habe bewiesen, dass er auch ohne die alte Führungsstruktur überleben könne.

Echo der Zeit, 05.04.2023, 18 Uhr

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