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Islamistischer Terrorismus So eng vernetzt sind IS-Sympathisanten in der Schweiz

SRF Investigativ deckt ein Netzwerk junger IS-Verdächtiger auf und trifft einen ausgeschafften Terrorverdächtigen.

Von Polizisten begleitet wird der Islamist letztes Jahr ausgeschafft. Er sei eine «Gefahr für die innere und äussere Sicherheit der Schweiz». SRF Investigativ findet den 23-Jährigen diesen Januar in der kosovarischen Hauptstadt Pristina. Der Empfang überrascht: Der Terrorverdächtige serviert Erdbeeren.

Aufgewachsen ist er im Berner Oberland. Dort erinnert sich ein Imam, wie sich der junge Mann IS-Unterstützern zuwandte: «Er ist öfters nach Zürich und Winterthur gegangen», erzählt der Imam. Zunehmend habe er begonnen, IS-Propaganda zu verbreiten. Darauf habe man ihn aus der Moschee ausgeschlossen.

«Die radikalisierten Personen werden immer jünger»

Islamistische Extremisten sind in der Schweiz noch immer aktiv. Das bestätigt Christoph Gnägi vom Bundesamt für Polizei (Fedpol) und fügt an: «Die radikalisierten Personen werden immer jünger.» Zudem stehe oft nicht mehr «der reine Dschihadismus» im Vordergrund, es kämen persönliche Probleme oder Hass auf eine sexuelle Minderheit dazu, die zu einem Gewaltpotential führten, sagt Fedpol-Sprecher Gnägi.

Mit rund 70 hängigen Strafverfahren bleibe die Zahl «auf hohem Niveau stabil», schreibt die Bundesanwaltschaft auf Anfrage. Auch der Nachrichtendienst des Bundes beurteilt die Terrorbedrohung für die Schweiz als «erhöht».

Bund: Dschihadistischer Terrorismus «sehr präsent in der Schweiz»

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Aus Sicht der Bundesanwaltschaft (BA) ist das Phänomen des dschihadistisch motivierten Terrorismus «mitnichten verschwunden, sondern nach wie vor sehr präsent in der Schweiz», wie die BA auf Anfrage von SRF schreibt. Die Anzahl Verfahren sei seit einiger Zeit «auf einem hohen Niveau von rund 70 hängigen Verfahren stabil». Dabei würden Fälle abgearbeitet und laufend kämen neue dazu. Die Sachverhalte umfassten eine grosse Bandbreite: Verdacht von Rekrutierung für Terrororganisationen, Finanzierung, Propaganda, Ausreisen und Rückkehrer. Und «vereinzelt» stehe der Verdacht der Planung von terroristischen Attentaten im Raum.

Der Nachrichtendienst des Bundes (NDB) schreibt, er beurteile die Terrorbedrohung für die Schweiz als erhöht. «Die Bedrohung wird primär von der dschihadistischen Bewegung geprägt», schreibt der NDB. Das plausibelste Terrorszenario für die Schweiz sei derzeit ein Gewaltakt, der von einem dschihadistisch inspirierten Einzeltäter mit einfachen Mitteln verübt wird. Dem NDB würden aber keine Hinweise auf konkrete Anschlagsplanungen in der Schweiz vorliegen.

Der ausgeschaffte Berner Oberländer steht laut Recherchen von SRF Investigativ im Zentrum eines internationalen Netzwerks von IS-Verdächtigen. Dazu gehören zwei Männer, die im September 2022 in Genf und im Kanton Waadt festgenommen wurden.

Ausserdem stand er in persönlichem Kontakt zu einem Deutsch-Pakistaner, der wegen Unterstützung der Terrororganisation Al Kaida eine Gefängnisstrafe verbüsste. Und beide sind mit der sogenannten Winterthurer Islamistenszene verbunden.

Zeitgleich mit der erneuten Festnahme des Deutsch-Pakistaners im Juni 2022 in Deutschland wurden in Winterthur drei IS-Verdächtige festgenommen. Mindestens zwei kennt der Oberländer seit 2019. Das geht aus einer Ermittlungsakte über ein Islamisten-Treffen im Kanton Schaffhausen hervor.

Verdacht auf Spendensammlung

Ermittlungsakten, die SRF Investigativ einsehen konnte, zeigen zudem: Die Behörden entdeckten Hinweise auf Geldsammlungen. Polizeilich bekannte Islamisten sollen Geld auf ein Konto eines 20-jährigen Winterthurer Konvertiten einbezahlt haben.

Von dessen Konto aus seien Geldbeträge nach Deutschland geflossen. Eine mutmassliche Transaktion ist besonders pikant: Ein Mann in Giessen soll 2020 einmal 80 Euro, später 60 Euro erhalten haben. Dabei handelt es sich um einen der Teilnehmer des «Sommer-Treffens» mit dem späteren Attentäter des Terroranschlages von Wien mit vier Toten.

Für den Forscher Johannes Saal von der Universität Luzern zeigt sich in Winterthur typisch, wie sich Mitglieder von Netzwerken schon vor ihrer Radikalisierung gekannt haben.

Die Wien-Winterthur-Verbindung

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Der Verdacht von Verbindungen des Wiener Attentäters in die Schweiz war nur Stunden nach dem Anschlag im November 2020 bekannt geworden: In Winterthur verhaftete die Polizei zwei Männer. Sie hatten den späteren Attentäter im Sommer 2020 in Wien getroffen, zusammen mit anderen mutmasslichen Islamisten aus Deutschland und Österreich. Die Strafverfahren gegen die beiden Winterthurer wurden in den Hauptpunkten eingestellt, da es keine Beweise für eine Tatbeteiligung gab oder dass sie von den Plänen des Anschlags gewusst hätten.

Einer der beiden 2020 Festgenommenen, heute 26 Jahre alt, gehört zu jenen drei Männern, die im Juni 2022 in Haft genommen wurden. Er befindet sich nach Auskunft der Bundesanwaltschaft weiterhin in Untersuchungshaft. Ebenso der im Juni verhaftete 20-jährige Mann aus Winterthur. Beide Strafverfahren sind hängig, es gilt die Unschuldsvermutung.

Ein dritter Verdächtiger ist inzwischen auf freiem Fuss. Er ist heute 18 Jahre alt, das Verfahren gegen ihn wird nach Jugendstrafrecht geführt, da er zum Zeitpunkt der mutmasslichen Taten minderjährig war. Auch dieses Verfahren ist noch hängig, es gilt die Unschuldsvermutung.

Die Wohnung des mutmasslichen Geldsammlers in Winterthur stellt sich laut Akten als ein Treffpunkt des Netzwerks heraus: Der 20-Jährige soll den verurteilten Deutsch-Pakistaner empfangen haben – und auch mehrere IS-Verdächtige aus der Region. Die Strafverfahren gegen die fünf verhafteten jungen Männer sind hängig. Es gilt die Unschuldsvermutung.

Abgeschlossen sind die Verfahren gegen den ausgeschafften Kosovaren aus dem Berner Oberland. Ein Teil wurde eingestellt, verurteilt wurde er wegen Widerhandlungen gegen das IS-Gesetz und wegen Besitzes von Gewaltdarstellungen. 20 Jahre darf er nicht in die Schweiz einreisen. Als SRF Investigativ ihn in Pristina mit Fragen zu seinem Netzwerk konfrontiert, verweigert er jede Aussage.

10vor10, 08.02.23, 21:50 Uhr

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