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Terrorprozess in Paris Staatsanwalt fordert 15 Jahre Haft für Schweizer «Emir»

  • Der heute 31-jährige schweizerisch-bosnische Doppelbürger M. aus dem Kanton Neuenburg soll zu einer Gefängnisstrafe von 15 Jahre verurteilt werden, fordert der französische Generalstaatsanwalt.
  • Der in Paris angeklagte M. wird als «Emir», Anführer, bezeichnet und soll aufgrund seiner zentralen Stellung die höchste Strafe der insgesamt sieben Angeklagten erhalten.
  • Der Gruppe um M. werden Anschlagsvorbereitungen in Frankreich und der Schweiz vorgeworfen.

Nach einem gut dreistündigen Plädoyer hat der Generalstaatsanwalt am Mittwochabend im Palais de Justice seine Strafforderungen verkündet: Für M. sind es 15 Jahre, Zweidrittel davon in Sicherheitshaft.

Der Mann aus dem Kanton Neuenburg befindet sich seit November 2017 in Untersuchungshaft in Frankreich. Diese drei Jahre werden an die Gefängnisstrafe angerechnet werden. Zusätzlich zur Haft fordert der Generalstaatsanwalt ein lebenslanges Einreiseverbot für Frankreich.

Unglaubwürdige Distanzierung

Der Generalstaatsanwalt betonte nochmals, welchen Stellenwert der Dschihad, Gewaltphantasien und mögliche Anschlagsziele im Leben von M. eingenommen hätten. Dass er sich nun komplett davon losgesagt habe, sei nicht glaubhaft, denn das habe er schon früher behauptet, etwa nach der Freilassung 2016 aus dem Gefängnis.

Damals hatte er eine Strafe wegen häuslicher Gewalt gegenüber seiner Frau abgesessen. Während der Haft hatte er noch versucht, Mitgefangene zu radikalisieren, IS-Flaggen gezeichnet und religiöse Debatten auch gewalttätig ausgetragen. Doch danach, so beteuerte M., habe er sich von der gewaltverherrlichenden IS-Ideologie abgewendet.

Immer noch in der Szene aktiv

Nur ein Jahr später, als französische und Schweizer Ermittler der Gruppe auf die Schliche kamen, zeigte sich jedoch, dass M. noch immer IS-Anhänger sei. Mehr noch: Er wurde zum «Emir» ernannt von einer, wie der Staatsanwalt sagte, «virtuellen Terror-Zelle». Und die Strafermittlung deckte auch wiederholte Gewalt gegen seinen damals dreijährigen Sohn auf.

Unter anderem deshalb sieht der Generalstaatsanwalt, wie er am Mittwoch ausführte, bei M. auch eine erhebliche Rückfallgefahr – zurück in die IS-Ideologie, in die Gewalt.

Während der Ausführungen der Generalstaatsanwaltschaft blieb M. fast regungslos im dick verglasten Kasten, in dem die Angeklagten umgeben von Polizisten platziert sind, sitzen. M. blickte zu Boden, scheinbar in sich gekehrt.

Schuld sei die Beziehung

M. selber hatte sich in den Befragungen vor Gericht in Paris als geläutert erklärt und beteuert, die Gewalt gegen seine Frau und die Kinder tue ihm leid. Die Diskussionen über Terroranschläge mit seinen angeblichen Komplizen bezeichnete er als Fantasie, er wäre nie zur Tat geschritten. «Ich bin doch nicht wahnsinnig», hatte M. in der Befragung durch den Gerichtspräsidenten gesagt.

Ich bin doch nicht wahnsinnig.
Autor: M. zum Gerichtspräsidenten

Die Befragung hatte tags zuvor von 14 Uhr bis nach 19 Uhr gedauert. M. versuchte seine Radikalisierung und die Gewalt meistens mittels einer Art psychologischer Selbstanalyse zu erklären.

Er habe sich einsam gefühlt, habe Bestätigung gesucht – und immer wieder, bis es der Gerichtspräsident nicht mehr hören mochte – mit einer toxischen Beziehung zu seiner Partnerin. Sie, so erklärte M., habe er zuweilen beeindrucken, dann aber auch einschüchtern wollen, damit sie ihn trotz der Gewalt nicht verlasse.

Ob diese Erklärungen den «Cour d’Assises spécialement composée» (etwa: Sonder-Schwurgericht) zu überzeugen vermögen, wird sich am Freitag weisen, dann sollen die Urteile gefällt werden.

10 vor 10, 04.01.2021, 21.50 Uhr

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