«Ich glaube, dass man uns als Befreier empfangen wird.» Dieser Satz gilt als eine der grössten Fehleinschätzungen der jüngeren US-Geschichte. Er stammt von Dick Cheney – damals Vizepräsident –, geäussert im März 2003, wenige Tage vor dem US-Einmarsch im Irak.
Der Krieg wurde für die USA zum Debakel – und es war zu grossen Teilen Dick Cheneys Krieg. Mehr als 4000 tote und Zehntausende verletzte US-Soldaten, geschätzte Kosten von über 700 Milliarden US-Dollar – und eine destabilisierte Region. Dass die USA bis heute als kriegsmüde gelten, liegt an den teuren und blutigen Konflikten im Irak und in Afghanistan.
Zwischen Rechtfertigung und Falschinformation
Cheney verteidigte den folgenschweren Irak-Krieg bis zuletzt, auch in seiner Autobiografie. Zusammen mit Verteidigungsminister Rumsfeld hatte er damals – unter dem Eindruck der Terroranschläge vom 11. September 2001 – zur Jagd auf Saddam Hussein geblasen.
Cheney behauptete, zwischen dem Regime von Hussein und der Terrororganisation Al Kaida gebe es Verbindungen. Das stellte sich hinterher als ebenso falsch heraus wie die Mär von den irakischen Massenvernichtungswaffen. Kritiker behaupten bis heute, Cheney habe Verteidigungsminister Powell absichtlich mit Falschinformationen gefüttert, um den Krieg vor der Weltgemeinschaft zu rechtfertigen.
Mehr als Bushs «Sidekick»
Dabei galten US-Vizepräsidenten bis dahin in der Regel als eher blasse «Sidekicks» der Präsidenten. Doch neben dem oft ungelenken und intellektuell nicht immer überzeugenden George W. Bush konnte sich der clevere und erfahrene Machtpolitiker Cheney voll entfalten, prägte insbesondere die Aussenpolitik so stark wie kaum ein Vize vor ihm.
Cheney wusste, wie der Laden läuft. Schon mit 34 Jahren wurde er Stabschef des damaligen Präsidenten Gerald Ford – als bis dahin Jüngster in diesem Amt. Später etablierte er sich als streng konservativer Republikaner im Kongress und führte die USA als Verteidigungsminister durch den Golfkrieg von 1990.
Danach wechselte er in die Privatwirtschaft und übernahm die Führung des Energiekonzerns Halliburton. Der von Kritikern geäusserte Verdacht, dass die Nähe zur Ölindustrie bei seinen Entscheidungen als Vizepräsident – insbesondere beim Einmarsch ins Öl-Land Irak – eine Rolle spielte, konnte nie ganz aus der Welt geschafft werden.
Einer der letzten republikanischen Trump-Kritiker
Seit der ersten Präsidentschaft von Donald Trump sah die westliche Welt aber auch ein ganz anderes Gesicht von Dick Cheney. Das Gesicht eines Mannes, der sich zutiefst besorgt zeigte über die Demokratie in den USA. Nie habe ein Individuum eine grössere Gefahr für die Republik dargestellt als Trump, sagte Cheney, als er letztes Jahr die Demokratin Kamala Harris zur Wahl empfahl. Auch seine Tochter Liz Cheney wurde zu einer der wenigen verbleibenden Trump-kritischen Stimmen der Republikaner.
Derweil nutzen die Gegner einer demokratischen Weltordnung – allen voran China und Russland – die Kriegsmüdigkeit und globale Zurückhaltung der USA und bauen ihre Einfluss-Sphären aus. Die USA sind seit der Ära Bush-Cheney nur noch auf dem Papier die stärkste militärische Macht. Es bräuchte heute viel, um die US-Bevölkerung für einen weiteren grossen Krieg zu mobilisieren. Das wissen Putin und Xi. So hat Cheneys Amtszeit die Welt bis heute nachhaltig verändert.