Was ist geschehen? In Spanien durften drei Kinder im Alter von acht bis zehn Jahren jahrelang ein völlig vermülltes Haus nicht verlassen. Die Geschwister wurden offenbar von einem deutschen Elternpaar seit Herbst 2021 eingesperrt. Nun wurden die Kinder von der Polizei befreit und in einem Heim untergebracht. Die Eltern, ein 53 Jahre alter Deutscher und eine 48-jährige Deutschamerikanerin, wurden den Angaben zufolge beim rund dreistündigen Einsatz im Einfamilienhaus in Fitoria am Stadtrand von Oviedo festgenommen. Die Festgenommenen wurden einer Ermittlungsrichterin vorgeführt und sind in Untersuchungshaft.
Welche Auswirkungen hat so ein Erlebnis auf Kinder? «Die Auswirkungen sind natürlich sehr gravierend», urteilt Kinder- und Jugendpsychologe Allan Guggenbühl. Für Kinder sei es wichtig, dass sie nicht nur mit Erwachsenen aufwachsen, sondern dass sie auch eine erweiterte Umgebung haben. Es sei pervers, die Kinder im Keller einzusperren und so zu erziehen. Es sind nicht nur die Eltern, sondern auch das ganze familiäre Umfeld wichtig. «Kinder müssen in die Welt eingeführt werden», betont der Kinder- und Jugendpsychologe. Da mache man Erlebnisse, habe Schwierigkeiten, Probleme, welche Kinder bewältigen müssten. Das seien Erfahrungen, die man in diesem Alter machen müsste.
Die Kinder werden vielleicht auch nicht wissen, was Freundschaften sind, wie man streitet oder Streit schlichtet.
Wie schadet eine Isolation den Kindern? Das hängt von der Resilienz der Kinder ab. Es sei gut möglich, dass sich die drei Geschwister gegenseitig geholfen haben, vermutet Guggenbühl. Die Umgebung, die Eltern, die Kollegen, Freunde und Schule spielten aber ebenso eine wesentliche Rolle. In sehr vielen Bereichen, wie zum Beispiel im kognitiven oder sozialen Bereich, geht der Kinderpsychologe von grossen Defizite aus. «Die Kinder werden gewisse Dinge nicht wissen. Sie werden vielleicht auch nicht wissen, was Freundschaften sind, wie man streitet oder Streit schlichtet.»
Beziehungen brauchen Zeit, Konstanz, Länge, Engagement.
Ist eine Erholung erfolgversprechend? Die Kinder bräuchten jetzt vor allem eine konstante Bezugsperson, wie Guggenbühl weiter betont. Sie bräuchten Personen, die sich um sie kümmern, die sie lieben, Menschen, die sie akzeptieren und ihnen im Rahmen einer Beziehung helfen. Hier komme es auf das Heim drauf an. Wenn die Bezugspersonen oft wechseln, ist das nicht gut. «Beziehungen brauchen Zeit, Konstanz, Länge, Engagement,» so Guggenbühl.
Wie sieht die Traumaverarbeitung aus? Diese müsse professionell geschehen. Die Kinder seien vielleicht aggressiv, verschlossen und wollen keine Beziehung aufbauen. «Man kann auch nicht erwarten, dass die Kinder gleich dankbar sind,» betont Guggenbühl. Es brauche trotzdem Liebe. Gutmütigkeit oder Helfer mit gutem Willen genügten in der Regel nicht.