Die Stärke eines Militärbündnisses bemisst sich nicht nur nach Feuerkraft, Kampfflugzeugen, Fregatten oder Panzern. Entscheidend ist die Geschlossenheit. Doch damit steht es zurzeit in der mächtigsten Militärallianz der Welt nicht zum Besten – das ausgerechnet vor dem Gipfel Anfang Dezember in London, wo die Nato ihren siebzigsten Geburtstag feiern will.
Selbst Nato-Generalsekretär Jens Stoltenberg, der sich bemüht interne Gräben zu überbrücken, redet inzwischen Klartext. Bei zahlreichen Themen gebe es Differenzen, so Stoltenberg, doch das sei nicht neu. Bloss gelang es bisher stets, diese nach aussen kleinzureden.
Inzwischen sind die Konflikte für alle sichtbar.
- Da ist zunächst US-Präsident Donald Trump, der seine Skepsis gegenüber der Nato kaum noch kaschiert.
- Da ist die Türkei, die sich von westlichen Werten entfernt und gegen den Willen der Allianzpartner in Syrien eine Militäroffensive startete.
- Da gibt es Nato-Mitglieder, die entschieden antirussisch und solche die ebenso entschieden prorussisch sind. Selbst Frankreich und Deutschland sehen die Zukunft der Nato höchst unterschiedlich.
Gräben zuschütten
Die Aussenminister der 29 Nato-Mitglieder sollen nun am Mittwoch die grössten Gräben zuschütten. Deutschland will eine Expertenkommission einsetzen, die Nato-intern – so heisst es – eine Leerstelle im politischen Dialog schliessen soll.
Die Nato-Botschafterin der USA Kay Bailey Hutchison beteuert, dass die USA voll hinter der Allianz stünden – und sie wendet sich scharf gegen Macrons «Hirntot»-Kritik. Nato-Chef Stoltenberg will den französischen Präsidenten für eine Art Versöhnungsgespräch besuchen. Ob all dies reicht, rechtzeitig vor dem Nato-Gipfel doch noch ein bisschen Einigkeit hinzukriegen, ist zweifelhaft.