Zum Inhalt springen

Treffen von Xi und Biden Die neue Feindschaftspflege

Die paar handfesten Resultate ihres Treffens verkündeten der amerikanische Präsident Joe Biden und sein chinesischer Amtskollege Xi Jinping getrennt voneinander. Zuvor hatten ihre Mitarbeiterstäbe monatelang über jedes Detail der Zusammenkunft verhandelt, vom passenden Sitzungsraum in San Francisco bis zur Blumendekoration.

Dass das Treffen überhaupt stattfand, ist als Erfolg zu werten. Die USA und die Volksrepublik China, deren Rivalität die ganze Welt in den Abgrund zu reissen droht, sind wieder im Gespräch:

    • Biden und Xi wollen in Krisenfällen künftig persönlich miteinander telefonieren, die Streitkräfte der beiden Staaten ihre Kommunikationskanäle reaktivieren.
    • China will den USA helfen beim Kampf gegen die Droge Fentanyl, für deren Herstellung chinesische Labors mitverantwortlich sein sollen.
    • Expertinnen und Experten aus beiden Staaten sollen gemeinsam die Risiken künstlicher Intelligenz beraten.

«Wir müssen sicherstellen, dass der Wettbewerb nicht zu Konflikten führt», ermahnte Biden seinen chinesischen Amtskollegen. Mit anderen Worten: Freunde wird man nicht werden – aber wenigstens will man bei der Pflege der Feindschaft Vorsicht walten lassen und damit einer Eskalation entgegenwirken.

Das Eis ist dünn – Konfliktpotenzial besteht reichlich

Eskalationspotenzial gibt es nämlich zuhauf. Zumal es Chinas erklärtes Ziel ist, die USA bis spätestens 2049 als mächtigstes Land der Welt abgelöst zu haben.

Seit Jahren führen die beiden Grossmächte einen Wirtschaftskrieg gegeneinander, verhängen Strafzölle, beschränken Exporte und Investitionen.

Auch die Kriege in der Ukraine und im Gazastreifen tragen zur amerikanisch-chinesischen Feindseligkeit bei. Die USA stehen auf der Seite der Ukraine und Israels und beschuldigen China, zumindest indirekt Russland und die Hamas zu unterstützen. China weist dies zurück.

Klar ist aber, dass die beiden Kriege der Volksrepublik China in die Hände spielen. Allein schon deshalb, weil sie die USA auf Trab halten. Und weil sich China als Führungsmacht des sogenannten globalen Südens in Szene setzen kann, also unter anderem von Ländern der muslimischen Welt, die den USA feindlich gegenüberstehen.

Taiwan: ein heisses Eisen

Richtig gefährlich ist der Konflikt um die Insel Taiwan, die sich selbst als «Republik China» bezeichnet. Denn die Volksrepublik von Xi Jinping beansprucht die Insel für sich und will sie ins eigene Staatsgebiet integrieren, notfalls mit Gewalt. Da Taiwan der wichtigste Produktionsort für Computerchips ist, wären die weltwirtschaftlichen Folgen eines Kriegs viel verheerender als jene des Ukraine- und des Nahost-Kriegs.

Die Taiwan-Politik der USA ist widersprüchlich. Zwar anerkennen sie, dass es nur ein China geben soll, nämlich die Volksrepublik. Gleichzeitig warnen sie China davor, sich in die taiwanesischen Parlaments- und Präsidentenwahlen in zwei Monaten einzumischen.

Biden hat in der Vergangenheit gar mehrmals betont, er würde Taiwan mit eigenen Truppen unterstützen, sollte es sich gegen einen chinesischen Eroberungsversuch zur Wehr setzen. Es käme also zu einem Krieg zwischen den beiden Atommächten USA und China.

Allein deshalb ist zu begrüssen, dass Biden und Xi in Krisenfällen künftig persönlich miteinander telefonieren wollen. Um zu verhindern, dass ein blosses Missverständnis oder eine Fehleinschätzung der beiden Staatschefs zu einem Krieg um Taiwan führen könnten – und damit womöglich zu einem Dritten Weltkrieg.

Sebastian Ramspeck

Internationaler Korrespondent

Personen-Box aufklappen Personen-Box zuklappen

Sebastian Ramspeck ist internationaler Korrespondent für SRF. Zuvor war er Korrespondent in Brüssel und arbeitete als Wirtschaftsreporter für das Nachrichtenmagazin «10vor10». Ramspeck studierte Internationale Beziehungen am Graduate Institute in Genf.

Hier finden Sie weitere Artikel von Sebastian Ramspeck und Informationen zu seiner Person.

10vor10, 21.50 Uhr, 15.11.2023

Meistgelesene Artikel