US-Präsident Donald Trump empfängt heute Abend den israelischen Ministerpräsidenten Benjamin Netanjahu in seiner Residenz Mar-a-Lago in Florida. Beim bereits sechsten Treffen in diesem Jahr wollen die beiden Politiker über die Zukunft des Gazastreifens sprechen. Worum es bei den Gesprächen genau geht, weiss Auslandredaktorin Susanne Brunner.
Wie ist derzeit die Situation im Gazastreifen?
Weiterhin katastrophal. Die Bevölkerung leidet seit Tagen unter starkem Regen und Sturmböen. Vom Krieg schwer beschädigte Gebäude stürzen ein, vereinzelt sind Menschen laut palästinensischen Angaben auch an Kälte gestorben. Fast die gesamte Bevölkerung ist aus ihren Wohnungen vertrieben worden, es gibt nicht genug Zelte und die Menschen sind teilweise den Elementen schutzlos ausgesetzt. Die UNO sagt, es gebe im Gazastreifen keine Hungersnot mehr, aber viele Menschen haben trotzdem Mühe, genug Essen zu finden. Die USA verlangen, dass pro Woche 4200 Lastwagen mit Hilfsgütern in den Gazastreifen gelangen sollen, aber das Ziel wird aktuell nicht erreicht.
Die zweite Phase des US-Plans für Gaza sieht einen Rückzug der israelischen Streitkräfte vor. Ist davon etwas sichtbar?
Nein. Die israelische Regierung will sich nicht auf die zweite Phase des Friedensplans, den ihr der US-Präsident sozusagen aufs Auge gedrückt hat, festlegen. Dies, solange die Bedingungen für die erste Phase nicht erfüllt sind: Eine wichtige Bedingung war, dass alle israelischen Geiseln, tot oder lebendig, innert 72 Stunden zurück nach Israel gebracht werden müssen. Noch fehlt aber die Leiche einer israelischen Geisel, mehr als zweieinhalb Monate nach offiziellem Inkrafttreten der Waffenruhe. Die israelische Regierung und Angehörige freigelassener oder getöteter Geiseln werfen der Hamas vor, sie hätten die Bedingungen für die Waffenruhe nicht erfüllt. Auch die Hamas wirft Israel vor, Bedingungen für die erste Phase der Waffenruhe nicht erfüllt zu haben. Unter anderem, weil noch zu wenig humanitäre Hilfe in den Gazastreifen gelangt. Beide Seiten werfen sich zudem gegenseitige Angriffe vor.
Die zweite Phase des US-Plans sieht die Entwaffnung der Hamas und die Einsetzung einer internationalen Stabilisierungstruppe vor. Wo stehen wir hier?
Da gibt es noch keine Entwicklung. Die zweite Phase der Waffenruhe muss erst noch im Detail ausgehandelt werden. Bis jetzt hat die Hamas keine Anzeichen in Richtung Entwaffnung gemacht. Und die radikal-islamistische Gruppierung wehrt sich auch gegen eine temporäre internationale Kontrolle des Gazastreifens. Zwar hat der UNO-Sicherheitsrat offiziell ein Mandat für eine internationale Stabilisierungstruppe erteilt und es haben bereits rund ein Dutzend Länder Interesse an einer Beteiligung geäussert – aber niemand will Truppen schicken, solange nicht beide Kriegsparteien damit einverstanden sind. Das heisst: Vorbereitungen laufen, aber wo sie hinführen, ist unklar.
Was erhofft sich Netanjahu vom heutigen Treffen mit Trump?
Netanjahu will sicher keinen Krach mit Trump, aber er will auch keinen halben Frieden im Gazastreifen. Netanjahu will einen neuen Nahen Osten, in dem der Iran keine Bedrohung mehr für Israel darstellt und keine Extremisten wie die Hisbollah, die Hamas oder die Huthis finanzieren kann. Ständig redet Netanjahu vom Erzfeind Iran. Ich denke, er wird Trump davon überzeugen wollen, dass Gaza weniger wichtig ist als der Iran und dass der Iran nach dem 12-Tage-Krieg im Juni wieder gefährlich aufrüsten wird.