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Trumps Besuch in Kenosha USA-Expertin: «Wisconsin ist ein Puzzlestück zum Wahlerfolg»

US-Präsident Donald Trump hat Kenosha besucht, die Stadt im Bundesstaat Wisconsin, wo es Proteste gegen Polizeigewalt gibt, seit am 23. August ein Polizist einem Afroamerikaner siebenmal in den Rücken geschossen hat.

Der Besuch war sehr umstritten: Trump hat die Protestierenden kritisiert, die Gegenproteste seiner Anhänger aber verteidigt. Der Gouverneur von Wisconsin und der Bürgermeister von Kenosha hatten ihn gebeten, auf den Besuch zu verzichten. Dass der US-Präsident sich nicht davon abbringen liess, hat laut USA-Expertin Sarah Wagner mit der dortigen Wählerschaft zu tun.

Sarah Wagner

Politologin

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Sarah Wagner ist USA-Expertin und stellvertretende Direktorin bei der Atlantischen Akademie Rheinland-Pfalz in Kaiserslautern.

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SRF News: Im Vorfeld hatte Donald Trump den Konflikt in Kenosha mit seinen Aussagen noch verstärkt. Wie war das nun bei seinem Besuch?

Er hat diese Tendenz nochmals unterstrichen. Trump ist nach Kenosha gereist, um sich in erster Linie mit jenen Menschen zu treffen, deren Häuser, deren Geschäfte abgebrannt sind im Zuge der Proteste – und natürlich auch, um der lokalen Polizei und der Nationalgarde seine Unterstützung auszusprechen.

Die heisse Wahlkampfphase hat begonnen. Trump möchte jetzt auch Bilder für die Vororte produzieren.

Sein Fokus lag klar auf dem Materiellen, nicht auf den Menschen. Er hat sich zum Beispiel nicht mit den Angehörigen von Jacob Blake getroffen, auch nicht mit den Angehörigen der getöteten oder verletzten Demonstranten.

Trump hat sich als Präsident inszeniert, der für Sicherheit sorgen kann. Warum setzt er so stark auf «Law and Order» in diesem Wahlkampf?

Die heisse Wahlkampfphase hat begonnen. Trump möchte nun auch Bilder für die Vororte produzieren, um einen Kontrast zu Joe Biden herzustellen. Trump geht es vor allem um weisse Wählerinnen, die er bei den Zwischenwahlen an die Demokraten verloren hat. Er baut darauf, dass diese ihn als «Law and Order»-Kandidaten sehen und ihre Unterstützung für «Black Lives Matter» schwindet. Er beschreibt eine apokalyptische Lage, die nur er in den Griff bekommen könne. Er suggeriert, dass das Chaos, die Proteste, die Gewalt in die Vororte schwappen und er der Einzige sei, der das beenden könne.

Ist Sicherheit wirklich das Thema, das die Leute am meisten beschäftigt?

Es ist noch etwas früh, das einzuschätzen. Aber es ist sein traditionelles Erfolgsrezept. Er setzt auf Ablenkung, Delegitimierung, eine anheizende Rhetorik. Das sieht man an seinen Reden, an seinen Tweets. Aber laut Umfragen ist die grösste Sorge der Amerikaner und Amerikanerinnen die Corona-Pandemie. Auch die Führungslosigkeit, die wirtschaftliche Lage und die Krankenversicherung sind zum Beispiel Themen, die sie beschäftigen.

Er richtet sich wie immer an seine Wählerbasis, nicht an alle Amerikaner.

Gleichzeitig wird Trump beim Thema Rassismus und Befriedung keine grosse Kompetenz eingeräumt. Es ist also ein Balanceakt für Trump, hier zu punkten. Aber er richtet sich wie immer an seine Wählerbasis, nicht an alle Amerikaner.

Im Bundesstaat Wisconsin konnte Trump 2016 nur hauchdünn gewinnen. Ist das ein Grund, warum Trump gerade dorthin gereist ist?

Absolut. Wisconsin ist neben den Staaten wie Minnesota und Michigan ein ganz wichtiges Puzzlestück zu einem Wahlerfolg Trumps. Das heisst, hier ist er natürlich nochmals extra persönlich angetreten, um zu zeigen: Ich bin hier vor Ort. Ich kümmere mich, während Joe Biden, der sich zwar in einer Rede klar gegen die gewaltsamen Proteste gestellt hat, nicht vor Ort ist.

Das Gespräch führte Roger Aebli.

SRf 4 News, 02.09.2020, 07:15 Uhr ; 

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