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Türkei taktiert mit Migranten «Erdogans Strategie ist aufgegangen»

Vor vier Wochen liess die Türkei verlauten, die Grenzen zur EU seien offen – worauf ein Ansturm von Flüchtlingen und Migranten auf die Grenze zu Griechenland einsetzte. Nun werden allem Anschein nach auch die letzten Ausreisewilligen von türkischen Beamten wieder zur Rückkehr ins Landesinnere gedrängt, was zu Ausschreitungen führte. Journalist Christian Buttkereit in Istanbul erklärt den Schwenker Erdogans.

Christian Buttkereit

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Ab 2001 arbeitete Christian Buttkereit beim Norddeutschen Rundfunk (NDR), ab 2007 beim Südwestrundfunk (SWR). Seit Ende 2016 ist er ARD-Radiokorrespondent im Studio Istanbul für die Türkei, Griechenland und Iran.

SRF News: Warum hat der türkische Präsident Erdogan nun plötzlich umgeschwenkt?

Christian Buttkereit: Weil er mit seiner Strategie gegenüber der EU einen gewissen Erfolg hatte. So hat er es immerhin geschafft, dass das Flüchtlingsproblem wieder auf der Tagesordnung ist. Man ist bereit, der Türkei mehr Geld für die Versorgung vor allem der syrischen Flüchtlinge im Land zu geben.

Man ist bereit, der Türkei mehr Geld zu geben, vor allem für die syrischen Flüchtlinge.
Autor: Christian Buttkereit

Auch hat Erdogan das Augenmerk auf die Lage an der türkisch-syrischen Grenze gelenkt. Dort könnte er selber ein Problem bekommen, wenn mehrere hunderttausend Flüchtlinge aus Syrien in die Türkei kämen. Da will er Hilfe von der EU, was zurzeit in Arbeitsgruppen besprochen wird. Man kann also sagen: Für Erdogan haben die Flüchtlinge an der türkisch-griechischen Grenze ihren Zweck erfüllt.

Wohin werden diese Flüchtlinge gebracht, die auf eine Einreise in die EU gehofft hatten?

Einige kehrten mehr oder weniger freiwillig nach Istanbul zurück oder in Städte, wo sie vorher in der Türkei gelebt hatten. Das Problem: Viele gaben ihre Existenz auf. Sie kehren nicht in ein Haus oder eine Wohnung zurück, sie haben oft nichts mehr.

Die anderen wurden in eine Art Abschiebe-Einrichtungen gebracht. Etwa nach Edirne an der Grenze zu Griechenland oder ins 1300 Kilometer entfernte Malatya. Auch in Osmaniye an der syrischen Grenze gibt es so ein Camp aus Containern mit Stacheldraht und Wachturm. Dort müssen sie wegen einer möglichen Infektion mit dem Coronavirus erst einmal 14 Tage in Quarantäne bleiben.

Haben die Migrantinnen und Migranten dort irgendwelche Perspektiven?

Die Menschen, die wir sprechen konnten, sind sehr verzweifelt. Man sagt ihnen nicht, was nach der Quarantäne mit ihnen passieren soll. Die Syrer geniessen einen gewissen Schutzstatus in der Türkei, der aber per Dekret jederzeit aufgehoben werden kann. Das gilt nicht für die vielen Afghanen. Sie befürchten, dass sie nach der Corona-Krise abgeschoben werden.

Man sagt den Menschen nicht, was nach der Quarantäne mit ihnen passieren soll.
Autor: Christian Buttkereit

Einige Länder haben vor der Corona-Krise angeboten, Flüchtlinge aufzunehmen, krebsten danach aber zurück. Wie ist der aktuelle Stand?

Das betrifft überwiegend die Flüchtlinge aus den überfüllten Lagern auf den griechischen Inseln. Und dabei Minderjährige unter 14 Jahren oder dringend behandlungsbedürftige Menschen. Nach aktuellem Stand will man diese Leute trotz Corona weiterhin aufnehmen. In der Befürchtung, das Virus könnte sich in den völlig überfüllten Lagern rasch ausbreiten.

Es geht vor allem auch um Menschen mit Vorerkrankungen und Kinder, deren Immunsystem aufgrund der Lebensbedingungen geschwächt ist. Hier will man jetzt, soweit die EU-Kommission das bisher kommuniziert hat, doch in den nächsten Tagen schon handeln.

Das Gespräch führte Ivana Pribakovic.

Rendez-vous, 31.03.2020, 12:30 Uhr ; 

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