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Türkischer Einmarsch in Syrien Washington wäscht seine Hände in Unschuld

Am Sonntag in den Talk-Shows nehmen die US-Medien jeweils politische Akteure in die Zange. Im Rampenlicht stand diesmal US-Verteidigungsminister Mark Esper. «Das ist eine schreckliche Entwicklung», empörte er sich auf CBS. Schuld seien die Türken, die trotz dem Widerstand der USA einmarschiert seien.

«Die US-Truppen drohten zwischen zwei Kriegsfronten zu geraten – darum musste man sie zurückzuziehen», argumentierte der Verteidigungsminister. Aber: Da gab es doch das Telefonat zwischen den Präsidenten Trump und Erdogan – vor der Invasion – was denn da gelaufen sei: «Erdogan sagte: ‹Ich tu’s›, und Trump sagte ‹Okay›?» fragte die Moderatorin von CBS. Er würde das nicht so darstellen, erwiderte Esper.

Die Kunst der Auslassung

Auch Fox News befragte den leicht schwitzenden US-Verteidigungsminister. Hätten die US-Truppen die Türkei vielleicht stoppen können? «Das glaube ich nicht», antwortete Esper. «Die Türken waren äusserst einsatzbereit und die USA sind nicht bereit, gegen einen Nato-Partner in den Krieg zu ziehen.»

Die Trump-Regierung übt sich in der Kunst der Auslassung. Eine Absprache zwischen Trump und Erdogan wird negiert – aber das Telefonat hat stattgefunden. Es gibt eine kurze, hastig geschriebene Pressemeldung des Weissen Hauses dazu, kurz vor Mitternacht am Sonntagabend vor einer Woche.

Darin steht sinngemäss: Eine türkische Invasion steht bevor. Wir werden uns nicht einmischen. Die Türkei zeichnet sich für die gefangenen IS-Kämpfer verantwortlich. Zwölf Stunden später ergänzte das Verteidigungsdepartement: Die USA würden eine türkische Invasion nicht gutheissen.

Regierungschaos in Washington

Danach folgte eine Woche des Chaos und der Widersprüche. Der Senat bereitete Sanktionen vor, als Drohgebärde gegenüber der Türkei. Die Türkei marschierte trotzdem ein. Erste mutmassliche Kriegsverbrechen geschehen. Laue Protestgebärden aus Washington.

Trump zieht das Militär ganz ab aus der Region, und als die türkische Armee einrückt, verkündet er Sanktionen. Er habe nur sein Wahlversprechen eingehalten: Die US-Truppen aus sinnlosen Kriegen zurückzuziehen. Es war sein Versprechen – aber die Entscheidung kam plötzlich, es gab keinen Umsetzungsprozess dazu.

Das Pentagon hinkt bei der Entscheidung des Truppenrückzugs hinten nach. Das Aussenministerium bezieht sich in Mediengesprächen auf Tweets des Präsidenten. Die Departemente passen die Positionen laufend an, einem improvisierenden Präsidenten nacheilend. In Nordsyrien herrscht das Kriegs-Chaos – in Washington ein Regierungs-Chaos.

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