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Wut und Trauer in Griechenland
Aus Echo der Zeit vom 02.03.2023. Bild: AP Photo/Vaggelis Kousioras
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Über 50 Todesopfer Harte Vorwürfe nach dem Zugunglück in Griechenland

  • In Griechenland herrschen nach dem schweren Zugunglück mit mindestens 57 Toten und Dutzenden Verletzten Trauer und Entsetzen.
  • Gleichzeitig häufen sich die Vorwürfe an den Staat und die staatliche Bahngesellschaft. Das elektronische Leitsystem soll seit 20 Jahren kaum mehr funktioniert haben.
  • In Athen und Thessaloniki kam es zu Demonstrationen und Streiks der Eisenbahner.

Heute Freitag sollen nach Angaben der Feuerwehr die Bergungsarbeiten am Unglücksort beendet werden. Die Opfer sind zum Teil völlig verbrannt und können nur per DNA-Analyse identifiziert werden, was dauert, heisst es auf Seiten der Polizei. Deshalb wird auch damit gerechnet, dass die Zahl der Toten noch weiter steigt.

Demonstrationen gegen Politiker

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Seit Donnerstag sind zahlreiche Schülerinnen und Studenten auf die Strassen der wichtigsten Städte des Landes gegangen. Sie skandieren Parolen gegen jene Politiker, die verantwortlich für den maroden Zustand der griechischen Eisenbahnen sind. Für den Freitagabend ist eine Mahnwache am Platz vor dem griechischen Parlament geplant. Dazu haben Bürgerinitiativen und linke Organisationen und Parteien aufgerufen, berichtet der staatliche Rundfunk.

Am Donnerstagabend war es am Rande friedlicher Demonstrationen zu Krawallen gekommen. Autonome schleuderten in Athen und Thessaloniki Brandflaschen auf die Polizei. Die Lage beruhigte sich laut Rundfunk in der Nacht zum Freitag.

Die Proteste nehmen auch politische Dimensionen an. Konservative und linke Politiker werfen sich in Talkshows gegenseitig vor, dass ein System ausser Betrieb ist, welches einen Zug stoppt, wenn Gefahr droht, und das somit auch vor menschlichem Versagen schützen soll. Die beiden grossen Parteien Griechenlands – die Konservative Nea Dimokratia und die linke Syriza – hatten das Land in den vergangenen zehn Jahren abwechselnd regiert. Nichts in Sachen Eisenbahnsicherheit sei in die Tat umgesetzt worden, moniert die Eisenbahngewerkschaft.

Prekäre Lage war bekannt

«Worauf warten Sie noch, um einzugreifen? Was muss noch passieren?» So steht es in einem Schreiben, das Bahngewerkschafter erst vor drei Wochen an die staatliche Bahngesellschaft und das Verkehrsministerium schickten. Schon wiederholt hatten sie die Zustände schriftlich angeprangert und auch ausführlich die Probleme erklärt.

Worauf warten Sie noch, um einzugreifen? Was muss noch passieren?
Autor: Brief der Bahngewerkschafter

Demnach funktionierten die Lichtsignale auf der rund 500 Kilometer langen Strecke Athen-Thessaloniki bereits seit vielen Jahren nicht mehr. Auch sei das ETCS (European Train Control System) – das System, das den Zug stoppt, wenn Gefahr droht, und das somit auch vor menschlichem Versagen schützt – ausser Betrieb. Darüber hinaus funktionierten seit nunmehr 15 Jahren die Sicherheits- und Beleuchtungssysteme in den Tunneln nicht vollständig.

Nach einer Studie der EU für die Jahre 2018 bis 2020 hat Griechenland pro Bahnkilometer die höchste Anzahl Todesopfer, erklärt SRF-Italienkorrespondent Peter Voegeli.

Bahnhofvorsteher als Bauernopfer?

Das Geständnis des Bahnhofsvorstehers in der Stadt Larisa, der letztlich durch falsche Entscheidungen und Aktionen das Unglück herbeigeführt haben soll, gerät da fast in den Hintergrund. Der 59-Jährige war gleich am Mittwoch nach dem Unglück festgenommen und unter anderem wegen fahrlässigen Totschlags und fahrlässiger Körperverletzung angeklagt worden.

Menschen demonstrieren.
Legende: Die Menschen in Griechenland sind wütend über die Versäumnisse und fordern Konsequenzen. Keystone/KOSTAS TSIRONIS

Er gestand Medienberichten zufolge ein, Fehler gemacht und dadurch den Personenzug aufs falsche Gleis geschickt zu haben, sodass dieser auf offener Strecke frontal mit einem Güterzug zusammenstiess. Viele Menschen in Griechenland nehmen den Bahnhofsvorsteher als Bauernopfer wahr.

Weitere Rücktritte wahrscheinlich

Sowohl in Athen als auch in Thessaloniki gab es am Donnerstag Streiks der Eisenbahner sowie zum Teil gewalttätige Proteste vor Büros der Betreibergesellschaft der Bahn, Hellenic Trains. Diese ist allerdings gar nicht verantwortlich – die Infrastruktur des Netzes liegt in der Hand der staatlichen Gesellschaft OSE.

Deren Chef trat genau wie der griechische Verkehrsminister bereits zurück. Beobachter rechnen damit, dass es weitere Rücktritte und Rausschmisse geben wird – auch wenn das schwere Unglück damit noch längst nicht vollständig aufgeklärt ist.

Echo der Zeit, 02.03.2023, 18:00 Uhr;

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