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Überschwemmungen in Polen «Wenn man durch die Stadt Glatz fährt, sieht man eine Apokalypse»

Die Hochwasserlage in Mitteleuropa bleibt dramatisch. Die Überschwemmungen richten schwere Verwüstungen an. Ganze Landstriche und Ortschaften stehen unter Wasser. Besonders betroffen ist unter anderem Polen. Nach dem Bruch eines Staudamms erreichte eine Flutwelle die Kleinstadt Glatz (Klodzko). SRF-Sonderkorrespondent Stefan Reinhart berichtet aus dem Überschwemmungsgebiet.

Stefan Reinhart

Leiter Ausland-Korrespondentinnen und -Korrespondenten

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Stefan Reinhart ist Leiter der Ausland-Korrespondentinnen und -Korrespondenten und Chef vom Dienst im Newsroom Zürich. Zuvor war er Deutschland-Korrespondent für SRF.

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SRF: Welche Folgen hat der Dammbruch in Glatz?

Stefan Reinhart: Dieser Dammbruch war enorm. Wenn man durch diese kleine Stadt hier fährt, sieht man eine Apokalypse; man kann es fast gar nicht anders sagen. Überall gibt es Menschen, die ihre Häuser verlassen mussten. Auf den Strassen liegen Schutt und Schlammberge. Menschen werfen Möbel aus dem zweiten Stock – denn so hoch waren die Häuser überflutet. Doch immerhin gehen die Wassermassen zurück.

Überflutete Häuser, zerstörte Infrastruktur – in welcher Situation befinden sich die betroffenen Menschen?

Es ist extrem schwierig für die Menschen. Sie sitzen in ihren Häusern. Es gibt kein Wasser, es gibt keinen Strom. Sie versuchen, mit kleinen Schubkarren und Schaufeln ihre Vorgärten oder ihre Geschäfte vom Schlamm zu befreien. Es war ein enormer Schock, mit welcher Geschwindigkeit das Wasser kam.

Man ist sehr konzentriert, sich nun selbst zu helfen – und die Behörden helfen, wo sie können.

Wie läuft die offizielle Hilfe für die Betroffenen?

Mein Eindruck ist, dass die sehr gut läuft. Es ist natürlich ein grosses Gebiet, aber man sieht Helikopter im Einsatz. In der Nähe musste ein Spital evakuiert werden, weil es keinen Strom gibt. Man sieht aber auch die Armee und die Polizei. Die Stimmung ist erstaunlicherweise ziemlich gelassen. Man ist sehr konzentriert, sich nun selbst zu helfen – und die Behörden helfen, wo sie können.

Das Glück der Menschen hier – dass die Pegel sinken – ist das Unglück für die Menschen, die weiter flussabwärts leben.

Die Wassermassen bewegen sich nun den Flussläufen entlang nördlich in Richtung Ostsee. Müssen sich weitere Städte auf Schlimmeres vorbereiten?

Das weiss ich nicht. Aber tatsächlich steigen die Pegel. Die Stadt Breslau ist beispielsweise hier in der Nähe, aber auch im ostdeutschen Dresden bereitet man sich auf steigende Pegel vor. Das Glück der Menschen hier – dass die Pegel sinken – ist das Unglück für die Menschen, die weiter flussabwärts leben. Aber man hat in den vergangenen Jahren sehr viel für den Hochwasserschutz gemacht. Diese grossen Städte werden zwar in diesem Sinne bedroht, aber ich glaube, dass man gut vorbereitet ist und es in diesen Gebieten nicht zur grossen Katastrophe kommen wird.

Das Gespräch führte Brigitte Kramer.

Echo der Zeit, 16.9.2024, 18 Uhr ; 

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