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Ukraine-Konflikt Nato und USA erteilen Russlands Forderungen erneut eine Abfuhr

  • Im Ukraine-Konflikt haben die Nato und die US-Regierung der russischen Forderung nach Zusagen für ein Ende der Nato-Osterweiterung erneut eine Absage erteilt.
  • In Antworten auf Russlands Vorschläge für neue Sicherheitsvereinbarungen habe man deutlich gemacht, «dass es Kernprinzipien gibt, zu deren Wahrung und Verteidigung wir uns verpflichtet haben», sagte US-Aussenminister Antony Blinken am Mittwoch in Washington.

Dazu gehörten die Souveränität und territoriale Integrität der Ukraine sowie das Recht von Staaten, ihre Bündnisse zu wählen. Blinken warnte Moskau erneut vor «massiven Konsequenzen» im Fall eines Einmarschs in die Ukraine.

«Sind bereit, uns die Sorgen Russlands anzuhören»

Die Nato bot Russland schriftlich Verhandlungen über eine Verbesserung der Beziehungen an, will allerdings nicht auf Moskaus Forderungen nach einem Stopp der Osterweiterung eingehen. «Wir sind bereit, uns die Sorgen Russlands anzuhören und eine echte Diskussion darüberzuführen, wie wir die fundamentalen Prinzipien der europäischen Sicherheit, denen wir uns alle verpflichtet haben, bewahren und stärken können», sagte Generalsekretär Jens Stoltenberg am Mittwochabend in Brüssel. Dazu gehöre aber auch das Recht aller Staaten, selbst über ihren Weg zu entscheiden.

«Nein aus den USA kann russische Regierung nicht stehen lassen»

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Luzia Tschirky, SRF-Korrespondentin in Moskau, schätzt ein, wie die amerikanische Antwort in Russland ankommt: «Der russische Präsident Wladimir Putin schweigt bisher. Dennoch zeichnet sich ab: Auf das Angebot der USA scheint die russische Regierung nicht eingehen zu wollen. Moskau will eine Zusage in allen Punkten und allen voran in einem: Die Ukraine soll auch in Zukunft nicht der Nato beitreten. Das Nein aus Washington kann die russische Regierung nicht im Raum stehen lassen, ansonsten droht ihr ein Gesichtsverlust vor jenen, die den Kurs des Kremls unterstützen. Im staatlichen russischen Fernsehen wird währenddessen erklärt, die Situation in der Ostukraine werde immer gefährlicher. Dass Russland dafür verantwortlich ist, wird dabei nicht erwähnt. Den Menschen in der Ukraine stehen lange Tage der Ungewissheit bevor.»

Nach Angaben von Stoltenberg hat die Nato der Regierung in Moskau konkret vorgeschlagen, die nach einem Spionage-Streit geschlossenen Vertretungen wieder zu öffnen. Zudem wolle man die bestehenden militärischen Kommunikationskanäle in vollem Umfang nutzen, um die Transparenz zu fördern und Risiken zu verringern.

Blinken: Tür der Nato ist offen

Konkret schlage man in einem ersten Schritt im Nato-Russland-Rat gegenseitige Unterrichtungen zu Manövern und Atompolitik vor. Dann sollte man auch das Wiener Dokument zur militärischen Transparenz modernisieren.

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Legende: Die Nato und ihr Generalsekretär Jens Stoltenberg boten Russland schriftlich Verhandlungen über eine Verbesserung der Beziehungen an, möchten allerdings nicht auf Moskaus Forderungen nach einem Stopp der Osterweiterung eingehen. Keystone

Der US-Aussenminister betonte, Entscheidungen über eine Ausweitung träfen alle 30 Nato-Staaten gemeinsam, nicht sein Land alleine. «Aber aus unserer Sicht kann ich nicht deutlicher sein: Die Tür der Nato ist offen und bleibt offen.» Es gebe andere Bereiche, in denen man mit Russland verhandeln könne – zum Beispiel bei einer Stationierung von offensiven Raketensystemen in der Ukraine, bei Manövern in Europa oder bei Massnahmen zur Rüstungskontrolle.

Die US-Regierung und die Nato hatten der russischen Regierung zuvor schriftliche Antworten auf die Sorgen Moskaus um die Sicherheit in Europa zukommen lassen. Die Schriftstücke wurden nicht veröffentlicht. Blinken sagte, er erwarte, in den kommenden Tagen mit dem russischen Aussenminister Sergej Lawrow darüber zu sprechen. Russland hatte den USA und der Nato im vergangenen Monat Entwürfe für Vereinbarungen übergeben, in denen der Kreml Sicherheitsgarantien in Europa verlangt. Unter anderem wird ein Ende der Nato-Osterweiterung gefordert, durch die sich Russland bedroht sieht. Insbesondere will der Kreml eine Aufnahme der Ukraine in das westliche Verteidigungsbündnis verhindern.

«Normandie»-Verhandlungen zwischen Konfliktparteien in Paris

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Bei den Verhandlungen zur Lösung des Ukraine-Konflikts haben sich die Konfliktparteien in Paris erstmals seit Ende 2019 auf eine gemeinsame Erklärung und ein Bekenntnis zu der 2020 vereinbarten Waffenruhe verständigt. Man unterstütze die bedingungslose Einhaltung des Waffenstillstands, hiess es nach den Beratungen von Russland und der Ukraine unter der Moderation von Deutschland und Frankreich am Mittwoch in Paris im sogenannten Normandie-Format in einer vom Élyséepalast veröffentlichten Erklärung.

Russland beklagte, dass die ukrainische Regierung den Dialog mit den Separatisten im Krisengebiet verweigere. Kiew sieht die Separatisten als «Marionetten Russlands» und hat Gespräche bisher abgelehnt.
In zwei Wochen sollen erneut Gespräche im Normandie-Format stattfinden – dann in Berlin.

Unklar ist bislang, ob der aktuelle russische Truppenaufmarsch an der Grenze zur Ukraine mit den russischen Vorschlägen für neue Sicherheitsvereinbarungen in Verbindung steht. Westliche Geheimdienstler halten es für möglich, dass der Aufmarsch Ängste vor einem russischen Einmarsch in der Ukraine schüren soll, um die Nato und die USA zu Zugeständnissen zu bewegen.

Tagesschau, 26.1.2022, 19:30 uhr ; 

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