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Ukraine-Konflikt Russland kündigt Rückzug einiger Truppen aus Grenzgebiet an

  • In der Ukraine-Krise sendet Russland Signale der Deeskalation aus.
  • Am Vormittag hat das Verteidigungsministerium bekannt gegeben, man habe damit begonnen, erste Soldaten zurückzuziehen. Auch erstes Material soll bereits verladen worden sein.
  • In den letzten Tagen hatten sich die Anzeichen verdichtet, dass Russland unmittelbar vor einer Invasion der Ukraine steht.

Inmitten des Konflikts mit der Ukraine hat Russland nach eigenen Angaben nach Manövern mit dem Abzug von Truppen im Süden und Westen des Landes begonnen. Die ersten Soldaten sollten noch am Dienstag in ihre ständigen Stützpunkte zurückkehren, sagte der Sprecher des Verteidigungsministeriums, Igor Konaschenkow, in Moskau. Zudem sei mit dem Verladen von Militärtechnik begonnen worden.

Nato sieht keine Anzeichen für Truppenrückzug

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Die Nato beobachtet nach eigenen Angaben keine Anzeichen für einen Rückzug russischer Streitkräfte aus dem Grenzgebiet zur Ukraine. «Bislang haben wir vor Ort keine Deeskalation gesehen, keine Anzeichen einer reduzierten russischen Militärpräsenz an den Grenzen zur Ukraine», sagte Nato-Generalsekretär Jens Stoltenberg an einer Medienkonferenz in Brüssel.

Als positiv wertete Stoltenberg die von Moskau signalisierte Bereitschaft zur Fortsetzung von diplomatischen Bemühungen. «Das gibt Anlass zu vorsichtigem Optimismus», so der Nato-Generalsekretär.

Die Ukraine reagierte verhalten auf den angekündigten Truppenrückzug. «Erst wenn wir einen Abzug sehen, glauben wir an eine Deeskalation», sagte Aussenminister Dmytro Kuleba in Kiew. Grundsätzlich bewertete er die diplomatischen Bemühungen der vergangenen Wochen aber als Erfolg.

Vorsichtiger Optimismus aus Deutschland und Frankreich

Deutschland und Frankreich zeigen sich vorsichtig optimistisch. «Jeder echte Deeskalationsschritt wäre ein Grund für Hoffnung», sagte die deutsche Aussenministerin Annalena Baerbock. Allerdings müsse das genau geprüft werden.

Auch Frankreich überprüfe die Information, sagte Regierungssprecher Gabriel Attal in Paris. Wenn sich der Rückzug bestätige, wäre dies eine gute Sache und ein positives Zeichen der Deeskalation, die Präsident Emmanuel Macron erreichen wolle. Man halte den diplomatischen Weg für möglich.

Mögliches Zeichen der Entspannung

Zuvor hatte bereits Verteidigungsminister Sergej Schoigu angekündigt, dass einige Übungen kurz vor dem Abschluss stünden. Wie viele Soldaten genau die Region verlassen, ist unklar.

Andere Manöver liefen weiter, auch im Nachbarland Belarus. Konaschenkow betonte, dass Russland einen «Komplex von grossangelegten Massnahmen zur operativen Ausbildung von Truppen und Streitkräften» fortsetze. Dennoch wird das Vorgehen als möglicher Schritt der Entspannung gewertet.

David Nauer: «Der Kreml verwirrt seine Gegner gerne»

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David Nauer
Legende: David Nauer SRF

David Nauer, ehemaliger Russland-Korrespondent von SRF, wertet den russischen Teilrückzug als «psychologische Entspannung der Lage»: «Damit sendet Russland ein Signal der Deeskalation aus.» Dazu passe auch, dass der russische Aussenminister Sergej Lawrow am Montag vor laufenden Kameras mit Präsident Wladimir Putin gesprochen habe. Dort sagte Lawrow, es gebe noch Raum für Verhandlungen mit dem Westen.

In den letzten Tagen hatte sich die Situation zugespitzt, diverse Länder zogen ihr Botschaftspersonal aus der Ukraine ab. Für Nauer sind die aktuellen Vorgänge denn auch nicht mehr als ein erster Schritt zur Entspannung im Ukraine-Konflikt: «Noch immer sind genug russische Soldaten vor Ort, um die Ukraine jederzeit anzugreifen, wenn der Kreml das tatsächlich möchte.»

Ob diplomatisches Tauwetter zwischen dem Westen und Russland eingesetzt hat, bleibt unklar. «Objektiv gesehen muss man aber sagen, dass die Russen bislang kaum etwas gewonnen haben», so der Auslandredaktor. Die weitgehenden Forderungen im Zusammenhang mit der Ukraine und der europäischen Sicherheitspolitik generell seien vom Westen nicht erfüllt worden. Einen Erfolg kann sich Russland aber auf die Fahne schreiben: «Alle wollen mit Putin reden, nachdem es die letzten Jahre sehr einsam um ihn geworden war. Nun ist er ein gefragter Mann.»

Insgesamt sei der Wechsel von Spannung und Entspannung und auch das Aussenden widersprüchlicher Botschaften aber typisch für die Strategie des Kremls, schliesst Nauer: «Der Kreml verwirrt seine Gegner gern und lässt sie im Unklaren über seine Pläne. Und das Ziel, die Ukraine ins prorussische Lager zurückzuholen, bleibt bestehen.» Ein grosser Krieg in den nächsten Tagen sei nun aber eher unwahrscheinlich geworden.

Die Sprecherin des Aussenministeriums, Maria Sacharowa, schrieb im sozialen Netzwerk Telegram: «Der 15. Februar 2022 wird als Tag des Scheiterns der westlichen Kriegspropaganda in die Geschichte eingehen.» Der Westen habe sich blamiert.

Drohende Eskalation im Ukraine-Konflikt

Der Westen hatte auf die russischen Manöver äusserst besorgt reagiert. Die USA befürchten, dass die Truppenbewegungen sowie ein Aufmarsch Zehntausender Soldaten entlang der ukrainischen Grenze der Vorbereitung eines Krieges dienen. Russland weist das zurück.

Im Schwarzen Meer hielten unterdessen mehr als 30 russische Kriegsschiffe unterschiedlicher Klassen ein weiteres Manöver unter Einsatz von Artillerie ab. Bei der Übung der Schwarzmeerflotte wurde nach Angaben des Verteidigungsministeriums aus schweren Geschützen gefeuert, um die Zerstörung eines feindlichen U-Bootes zu trainieren.

SRF 4 News, Info 3, 15.02.2022, 12 Uhr ; 

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