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Ukraine-Krieg Russischer Soldat verurteilt: «Man kann den Prozess akzeptieren»

Ein ukrainisches Strafgericht hat einen russischen Soldaten zu lebenslänglicher Haft verurteilt. Es ist das erste Urteil gegen einen Kriegsverbrecher im Ukrainekrieg. Mitten im Krieg verurteilt ein Gericht der einen Kriegspartei also einen Soldaten der anderen Kriegspartei. Was dahinter steckt, erklärt die Völkerrechtlerin Martina Haedrich.

Martina Haedrich

Völkerrechtsexpertin und Rechtswissenschaftlerin

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Haedrich ist emeritierte Professorin für Öffentliches Recht und Völkerrecht an der Universität Jena in Deutschland.

SRF News: Konnte man mit etwas anderem als der Höchststrafe rechnen?

Martina Haedrich: Nein, das glaube ich nicht. Denn die Tatsache, dass er eine Zivilperson erschossen hat, zieht lebenslängliche Haftstrafe nach sich. Das heisst auch, dass er alle weiteren Voraussetzungen erfüllt hat. Er hat vorsätzlich gehandelt. Dass er auf Befehl gehandelt hat, entkräftet nicht das Handeln einer Person im Krieg. Denn grundsätzlich kann man davon ausgehen, dass jede Person Befehle – auch zum Töten – erfüllt. Es war kein sogenannter Befehlsnotstand.

Zur Verurteilung

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Ein Gericht in Kiew hat einen 21-jährigen russischen Soldaten zu lebenslanger Haft verurteilt. Der Verurteilte hatte in einem Dorf bei Charkiw einen Zivilisten erschossen, auf Befehl seiner Vorgesetzen. Der 21-jährige Mann gestand die Tat und er zeigte Reue. Dennoch sprach das Gericht die Höchststrafe aus. Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig, der Anwalt des russischen Soldaten hat angekündigt, Berufung einzulegen.

Wie üblich ist ein Kriegsverbrecherprozess, während der Krieg noch voll im Gange ist?

Das ist nicht üblich. Es gibt nur wenige Ausnahmen in der Geschichte. Aber die Beweislage ist hier eindeutig.

Ist dieses Verfahren völkerrechtlich vertretbar?

Ich würde sagen, dass man diesen Prozess akzeptieren kann. Dass er schon während des Krieges stattgefunden hat, hat damit zu tun, dass in diesem Krieg sehr gute Nachweise und Beweise gesammelt werden konnten. In anderen Kriegen, wie beispielsweise in Afghanistan oder im Irak, war das nicht der Fall.

In der Ukraine ist die Sammlung von Beweisen schon von Anbeginn des Krieges erfolgt.
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In der Ukraine ist die Sammlung von Beweisen schon von Anbeginn des Krieges erfolgt. Es gibt Kommissionen, die tätig sind. Es gibt über 11'000 solche Nachweise von Kriegsverbrechen und bereits 40 Verdächtige, bei denen künftig auch solche Kriegsverbrecherprozesse durchgeführt werden.

Die eine Kriegspartei verurteilt einen Soldaten der anderen Kriegspartei während des Kriegs. Ist das nicht auch ein Schauprozess?

Es gibt sicher einiges, was für einen Schauprozess spricht. So soll dieser Prozess eine Modellfunktion haben. Ich denke aber nicht, dass er zur Abschreckung eingeleitet worden ist. Denn auch auf der russischen Seite sind ukrainische Soldaten verhaftet worden. Für diese steht auch ein Prozess an. Man kann daher davon ausgehen, dass ein offenes, aber seriöses Gerichtsverfahren und kein inszeniertes Gerichtsverfahren stattgefunden hat.

Man kann davon ausgehen, dass ein seriöses und kein inszeniertes Gerichtsverfahren stattgefunden hat.
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Der Internationale Strafgerichtshof (ICC) in Den Haag führt bereits Ermittlungen im Ukrainekrieg. Wäre es nicht sinnvoll gewesen, diesen Fall des nun verurteilten Soldaten nach Den Haag zu überweisen?

Beim Internationalen Strafgerichtshof finden insbesondere Prozesse statt, wo Kriegsverantwortliche höheren Grades verfolgt werden. Der Grundsatz im sogenannten Römer Statut ist, dass zuerst nationale Gerichte eine Verfolgung von Kriegs- und Menschlichkeitsverbrechen sowie Völkermord durchführen. Erst, wenn diese nicht in der Lage sind, stellt sich die Frage nach der Verantwortung über den ICC. Ich gehe davon aus, dass der aktuelle ukrainische Prozess in Absprache mit dem Internationalen Strafgerichtshof erfolgt ist.

Das Gespräch führte Roger Brändlin.

Echo der Zeit, 23.05.2022, 18 Uhr ; 

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