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Ukraine-Treffen vor dem WEF Davoser Friedensbemühungen mit schwerem Stand

Mit gedämpften Erwartungen schaut die Welt auf die Beratungen von Selenskis Friedensplan in Davos. Die Kriegsparteien sind zu keinen Konzessionen bereit.

Bald zwei Jahre nach Beginn der russischen Grossoffensive gegen die Ukraine scheint Frieden in weiter Ferne. Denn vor Verhandlungen mit dem Aggressor verlangt der ukrainische Präsident Wolodimir Selenski den vollständigen Rückzug der russischen Truppen. Sein russischer Amtskollege Wladimir Putin denkt aber nicht daran, sich auf diese Bedingung einzulassen.

Dem Frieden näher zu kommen, versucht die Ukraine auf anderem Weg: Gemeinsam mit der Schweiz lädt sie vor Beginn des Weltwirtschaftsforums (WEF) in Davos zu einem «NSA Meeting», einem Treffen nationaler Sicherheitsberater (englisch: «national security advisors (NSA)») und anderer Spitzenbeamter aus der ganzen Welt. Gesprächsgrundlage ist der 10-Punkte-Friedensplan, den Selenski im November 2022 vorgestellt hat.

Jetzt geht es um Knackpunkte

Das Treffen in der Schweiz ist das vierte dieser Art, nach solchen in Dänemark, Saudi-Arabien und Malta. Diesmal werden gegen 90 Staaten vertreten sein. Neben den westlichen Grossmächten auch Staaten, die mit Russland gute Beziehungen unterhalten, etwa Brasilien, die Türkei oder die Vereinigten Arabischen Emirate. Russland selbst bleibt dem Treffen aber fern, ebenso sein wichtigster Verbündeter China.

Auch Präsident Selenski kommt nach Davos

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Auch der ukrainische Präsident Wolodimir Selenski wird in Davos erwartet. Er soll am Dienstag eine Rede bei der Jahrestagung des Weltwirtschaftsforums (WEF) halten. Das WEF beginnt am Montagabend.

An den bisherigen Treffen ging es um die ersten fünf Punkte des Selenski-Plans, darunter die Sicherheit der ukrainischen Atomkraftwerke und die Freilassung von Kriegsgefangenen. Punkte, bei denen in den vergangenen Monaten bescheidene Fortschritte erzielt werden konnten. Ganz im Sinne der Ukraine, die sich von den NSA-Treffen eine Ausgrenzung Russlands erhofft.

Doch jetzt, in Davos, geht es um die Knackpunkte 6 bis 10, darunter der Truppenrückzug und die Verurteilung von Kriegsverbrechern. Keine leichte Aufgabe für Andrij Jermak, Chef des ukrainischen Präsidialamts, und den Schweizer Aussenminister Ignazio Cassis, die das Treffen gemeinsam eröffneten. Zu einer gemeinsamen Erklärung werden sich die Delegationen kaum durchringen können, zu gross sind die Differenzen.

Russland mit besseren Karten als noch im Sommer

Die Ukraine will erreichen, dass die Beratungen an einem Friedensgipfel mit Staats- und Regierungsoberhäuptern fortgesetzt werden. Bereits im März möchte sie ein solches Spitzentreffen veranstaltet sehen. Doch nicht alle Staaten am Beratungstisch in Davos dürften damit einverstanden sein. Einige halten den Zeitpunkt für verfrüht, andere einen Gipfel ohne Russland für unsinnig.

Derweil kritisiert Russland das NSA-Treffen. Die westlichen Staaten versuchten, «die Länder des globalen Südens und des Ostens auf auf ihre Seite zu ziehen», schreibt das Aussenministerium. Nicht Russland, sondern die Ukraine stehe dem Frieden im Wege.

Russland sieht sich jedenfalls in einer besseren Ausgangslage als beim ersten NSA-Treffen im Juni 2023. Die ukrainische Gegenoffensive ist gescheitert, die westliche Militärhilfe in der Schwebe. Im Dezember betonte Putin, dass es Frieden nur geben werde, wenn er seine Ziele erreicht habe, darunter die Entwaffnung der Ukraine.

Das NSA-Treffen ist ein Versuch der Ukraine, diplomatisch Terrain zu gewinnen. Doch eine Waffenruhe und gar ein Friedensschluss sind nur möglich mit einem Kompromiss – oder einer Kapitulation. Beides dürfte auch nach dem Treffen in Davos in weiter Ferne liegen.

SRF 4 News, 14.01.2024, 7 Uhr

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