Mehrmals im Monat begibt sich der finnische Staatspräsident auf Reisen, hinaus ins weitläufige, aber kaum besiedelte Land – in die entlegenen Dörfer Lapplands, die Weiten Kareliens und auf eine der Zehntausenden finnischen Inseln in der Ostsee, um mit dem Volk ins Gespräch zu kommen.
Nicht nur auf diesen Besuchen fliegen dem konservativen Politiker, der im Frühjahr 2024 zum 13. Staatspräsidenten gewählt wurde, die Herzen seiner Gesprächspartner zu – sondern auch im Oval Office im Weissen Haus.
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Bild 1 von 2. Finnlands Präsident als Brückenbauer: Beim Ukraine-Gipfel vergangenen August im Weissen Haus war Alexander Stubb mit dabei. Bildquelle: Keystone/ Alex Brandon).
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Bild 2 von 2. Trump scheint Stubb zu mögen. Das sind gute Nachrichten für Europa. Denn Trump ist bekannt dafür, dass er persönlichen Beziehungen mit den offiziellen Beziehungen zwischen den Ländern gleichsetzt. Bildquelle: Reuters/ Al Drago.
Beim europäisch-amerikanischen Gipfeltreffen mit dem ukrainischen Präsidenten Wolodimir Selenski nannte Donald Trump den 57-jährigen finnischen Präsidenten letzten Monat einen «jungen und kraftvollen Mann», worauf Stubb antwortete, er werde diese Umschreibung gerne zu seiner Frau mitnehmen und sie davon zu überzeugen versuchen.
Durchs Golfen zum transatlantischen Brückenbauer
Tatsächlich ist es Stubb in den letzten Monaten gelungen, zu einer Art Trump-Flüsterer zu werden: Dies, nachdem die beiden an Trumps privatem Wohnsitz in Florida im Frühjahr ein gemeinsames Wochenende auf dem Golfplatz verbracht hatten – und damit ein neues Kapitel der finnischen Diplomatie begonnen hatte: Im Kalten Krieg pflegten finnische Präsidenten stattdessen die sogenannte Saunadiplomatie – beim gemeinsamen Schwitzen mit dem jeweiligen Herrn im Kreml.
Doch seit Beginn des russischen Angriffskriegs auf die Ukraine herrscht zwischen Moskau und Helsinki Eiszeit, die über 1300 Kilometer lange gemeinsame Grenze ist geschlossen, Finnland ist der Nato beigetreten – und der finnische Präsident ein gerne gesehener Gast in amerikanischen Fernsehshows.
Mit seinem Südstaaten-Akzent – Stubb studierte im Bundesstaat South Carolina – versucht er sich derzeit nach eigenen Worten als transatlantischer Brückenbauer und Vermittler – und sieht das Schicksal des eigenen Landes Finnland als Hoffnungsschimmer für die Ukraine.
«Wir fanden eine Lösung im Jahre 1944», sagte der finnische Präsident in einem Interview mit der britischen BBC und verweist damit auf das im Herbst 1944 unterzeichnete Waffenstillstandsabkommen Finnlands mit der Sowjetunion. Dieses beendete den mehrjährigen Krieg zwischen den beiden ungleichen Nachbarstaaten und gipfelte drei Jahre später in einem Friedensabkommen.
Einsatz für eine freiheitliche Zukunft
Finnland gelang es auf diesem Wege – im Unterschied etwa zu den drei baltischen Staaten –, seine Unabhängigkeit zu bewahren. Allerdings verlor es Teile seiner aussenpolitischen Souveränität und konnte zum Beispiel erst in der Mitte der 1980er-Jahre dem Europarat beitreten. Zudem musste es grosse Teile Kareliens an die Sowjetunion abtreten – sie gehören bis heute Russland.
Der traumatische finnische Landverlust im Osten hat auch die Familiengeschichte von Alexander Stubb geprägt: So mussten seine Grosseltern mütterlicherseits 1944 aus Karelien flüchten. Mit seinem Vermittlereinsatz setzt sich der finnische Präsident deshalb nicht nur für eine freiheitliche und demokratische Zukunft der Ukraine ein, sondern auch für eine ebensolche des eigenen Landes und Europas.
Ob das letztlich in Washington und vielleicht sogar auch in Moskau verfangen wird, ist derzeit aber eine offene Frage.