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Ukrainische Getreideexporte Deshalb hat Russland das Getreideabkommen gekündigt

Russland hat sich aus dem Getreideabkommen mit der Ukraine zurückgezogen. Die wichtigsten Fragen und Antworten.

Was ist passiert? Russland hat am Samstag das viel gelobte internationale Abkommen über den Export von ukrainischem Getreide gestoppt. Am Sonntag fuhr so erstmals seit August kein Frachtschiff mehr über das Schwarze Meer. Doch schon am Montag hat die Ukraine nach eigenen Angaben die Lieferung Hunderttausender Tonnen Agrarprodukte per Schiff wieder aufgenommen. Zwölf Frachter liefen am Montag aus ukrainischen Häfen aus, wie das Infrastrukturministerium in Kiew mitteilte.

Die Razoni unter Flagge von Sierra Leone.
Legende: Die Razoni unter Flagge von Sierra Leone war am Samstag eines der letzten Schiffe, die mit ukrainischem Getreide an Bord das Schwarze Meer passierte. Reuters/Yoruk Isik

Warum werden die Exporte trotz Russlands Aufkündigung fortgesetzt? Die UNO, Ankara und Kiew einigten sich am Sonntag darauf, die Transporte auch ohne Mitwirkung Russlands fortzusetzen. Sie fahren damit ohne Zustimmung Russlands durch einen Seekorridor, der laut Abkommen nicht angegriffen werden darf. Der Kreml zeigte sich darüber verärgert und nannte die Exporte riskant. Es wurde angedeutet, dass die sichere Schifffahrt im Gebiet nicht garantiert werden könne.

Warum ist das Getreideabkommen so wichtig? Die Ukraine gehört zu den wichtigsten Exporteuren von Getreide, darunter Weizen und Mais. Der Einfluss einer Blockade auf die Lebensmittelmärkte ist gross. Laut UNO hatte das Abkommen «positiven Einfluss auf den Zugang zu Lebensmitteln für Millionen Menschen weltweit». Als es im Sommer unter Vermittlung der UNO und der Türkei geschlossen wurde, sanken auch die Preise. Bis 24. Oktober waren 383 Schiffen mit insgesamt mehr als 8.6 Millionen Tonnen Getreide und anderen Lebensmitteln ausgelaufen. Dies ist auch für den Finanzhaushalt der vom Krieg finanziell geschwächten Ukraine wichtig.

Wieso ist Russland jetzt ausgestiegen?

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Das Minenräumschiff Iwan Golubez soll durch ukrainische Drohnen beschädigt worden sein.
Legende: Das Minenräumschiff Iwan Golubez soll durch ukrainische Drohnen beschädigt worden sein. Aufnahme aus dem Jahr 2016. Reuters/Murad Sezer

Offiziell wirft Moskau der Ukraine «Terroranschläge» im Schwarzen Meer vor. Dies mache es unmöglich, eine sichere Passage der Schiffe zu gewährleisten. Als konkreter Anlass führte Russland am Samstag eine Reihe von Drohnenangriffen auf den Stützpunkt der Schwarzmeerflotte in Sewastopol an. Der Ort liegt auf der schon 2014 annektierten Halbinsel Krim. Dabei seien auch ein Minenräumschiff sowie militärische Infrastruktur beschädigt worden.

Die Ukraine sieht das nur als Vorwand für schon ältere Pläne Russlands, das bislang bis Mitte November geschlossene Abkommen jetzt schon platzen zu lassen. Russland will ebenfalls Millionen Tonnen Getreide sowie Düngemittel auf dem Weltmarkt verkaufen – was wegen der Sanktionen des Westens kaum noch möglich sei.

Was würde eine Blockade der Getreideexporte für die Welternährung bedeuten? Experten befürchten, dass sich bei einer Blockade die Lage auf den Weltmärkten wieder verschärft und die Lebensmittelpreise weiter steigen. Der ukrainische Aussenminister Dmitro Kuleba wirft Moskau ein «Spiel mit dem Hunger» vor. Der Rest der Welt solle Russland dazu bringen, seine Verpflichtungen zu erfüllen.

Die Europäische Union, Nato und UNO kritisierten die Blockade und riefen Russland dazu auf, die Entscheidung zu widerrufen. Der EU-Aussenbeauftragte Josep Borrell schrieb auf Twitter, die Entscheidung Russlands gefährde die Versorgung mit dringend benötigtem Getreide und Düngemittel.

Was bezweckt Putin mit der neuen Blockade?

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Der russische Präsident will wohl den Druck auf die ukrainische Führung erhöhen, in Verhandlungen zu treten. Zuletzt hatten Putin und Aussenminister Lawrow immer wieder erklärt, zu Gesprächen bereit zu sein. Selenski hingegen schloss Verhandlungen mit Putin per Dekret aus. Er setzt darauf, den Krieg mit Waffen aus dem Westen auf dem Schlachtfeld zu entscheiden – und nicht am Verhandlungstisch. Russland will auch verhindern, dass die Ukraine die Getreide-Einnahmen für den Kauf neuer Waffen verwendet.

Wie ist das Abkommen noch zu retten? Aus Moskauer Sicht ist vor allem die UNO gefragt, damit der Export von russischem Getreide und Düngemitteln ungehindert laufen kann. UNO-Generalsekretär Antonio Guterres will laut seinem Sprecher versuchen, das Abkommen zu retten. Guterres führe intensive Gespräche mit allen Parteien mit dem Ziel, das Abkommen zu reaktivieren. Auch die Türkei will sich nach Angaben von Präsident Recep Tayyip Erdogan weiter für eine Aufrechterhaltung des Abkommens einsetzen.

Tagesschau, 30.10.2022, 13 Uhr ; 

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