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Umweltpolitik EU-Parlament nimmt Naturschutzgesetz an – darum geht es

Nach wochenlangen Debatten hat sich das Europaparlament für ein Naturschutzgesetz für die Europäische Union ausgesprochen. Mit einer knappen Mehrheit von zwölf Stimmen (bei zwölf Enthaltungen) haben die Abgeordneten einen Rückweisungsantrag der Europäischen Volkspartei (EVP) abgelehnt. EU-Korrespondent Charles Liebherr von Radio SRF mit den wichtigsten Fragen und Antworten zum Gesetz.

Charles Liebherr

EU-Korrespondent

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Charles Liebherr ist EU-Korrespondent von Radio SRF. Davor war er unter anderem in der SRF-Wirtschaftsredaktion tätig, später war er Frankreich-Korrespondent. Liebherr studierte in Basel und Lausanne Geschichte, deutsche Literatur- und Sprachwissenschaft sowie Politologie.

Was will das Naturschutzgesetz der EU?

Das «Gesetz zur Wiederherstellung der Natur» hat zum Ziel, dass die EU-Staaten bis 2030 Massnahmen umsetzen, damit 20 Prozent der Land- und Seefläche der EU wieder in einen natürlichen Lebensraum für Menschen, Pflanzen und Tiere versetzt werden. Beispielsweise sollen trockengelegte Moore vernässt, Wälder aufgeforstet oder Städte begrünt werden. EU-weit soll es auch wieder 25'000 Kilometer frei fliessende Gewässer geben. Die Massnahmen sollen auch das Artensterben mindern.

Warum war das Gesetz im Parlament umstritten?

Eigentlich war das Gesetz im Parlament lange Zeit gar nicht umstritten. Von Beginn weg wurden alle Meinungen der grössten Parteien im EU-Parlament berücksichtigt. Erst kurz vor der Schlussabstimmung im entscheidenden Umweltausschuss des Parlamentes stellte die grösste Fraktion, die Europäische Volkspartei (EVP), alle Kompromisse infrage und kündigte an, gegen das Gesetz und alle Änderungsanträge zu stimmen.

Warum stellte sich die EVP gegen das Naturschutzgesetz?

Die Europäische Volkspartei ist seit längerer Zeit in der Klima- und Umweltpolitik gespalten. Nach den EU-Wahlen 2019 folgte sie zunächst dem Trend für mehr Klimaschutz. Doch seit ein paar Monaten glaubt die EVP zu spüren, dass sich die politischen Gewichte verschieben. Tatsächlich erfuhren in nationalen Wahlen jüngst viele Parteien grosse Zustimmung, welche für einen Stopp beim Klimaschutz plädieren – etwa wegen der Landwirtschaft, der steigenden Energiepreise oder der Wirtschaft. Darum will die EVP ein Jahr vor den nächsten EU-Wahlen ihre Position anpassen, um nicht klimaskeptische Wählerinnen und Wähler an andere Parteien zu verlieren.

Warum sind viele europäische Bauern gegen das Gesetz?

Die Bauern-Lobby argumentiert seit Monaten mit zum Teil falschen oder irreführenden Behauptungen, das «Gesetz zur Wiederherstellung der Natur» würde vielen Landwirtschaftsbetrieben die Existenzgrundlage entziehen, weil die nutzbaren Flächen reduziert werden müssten. Tatsächlich beschloss die EU in den letzten Jahren zahlreiche neue Auflagen zum Umweltschutz, welche den Landwirtschaftssektor zwingen, höhere ökologische Standards zu erfüllen. Das Renaturierungsgesetz verbietet Landwirtschaft in Naturschutzgebieten nicht, verlangt einfach mehr Ökologie beim Landbau.

Warum stimmte eine Mehrheit der EU-Mitgliedsländer dem Gesetz bereits zu?

Die Zustimmung zum Gesetzesvorschlag im Rat der 27 Mitgliedsländer fiel erstaunlich deutlich aus. Auch zahlreiche Staaten, in deren Regierung Vertreter der Europäischen Volkspartei sitzen, stimmten für den Vorschlag der EU-Kommission, häufig mit dem Verweis, dass das Gesetz nötig sei, um die internationalen Verpflichtungen – wie das UNO-Biodiversitätsabkommen – einhalten zu können. Es ist aber auch denkbar, dass eine erste grundsätzliche Zustimmung zum Gesetz noch nicht sehr verbindlich war. Denn alle Vertreterinnen der nationalen Regierungen wussten ja, dass das Gesetz anschliessend mit den Entscheidungen des EU-Parlamentes abgeglichen werden musste.

SRF 4 News, 12.07.2023, 14:00 Uhr ; 

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