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Undiplomatischer Auftritt Französische Diplomaten streiken gegen Macrons Reformpläne

Mangelnde Wertschätzung durch Präsident Macron: Diplomaten und auch einige Botschafter legen ihre Arbeit nieder.

Öffentliche Unmutsbekundungen sind nicht das Metier der Diplomatie. In Frankreich allerdings liessen sich die Frauen und Männer, die normalerweise hinter den Kulissen der Politik den Boden bereiten, zu einer undiplomatischen Aktion hinreissen: Sie legten ihre Arbeit nieder.

Zweifellos müssen wir unsere Diplomatie reformieren und stärken, aber nicht auslöschen.
Autor: Frederic Jung Langjähriger französischer Diplomat

Hunderte Diplomaten und einige Botschafter beteiligten sich am Donnerstag im In- und Ausland an dem Ausstand, der von jungen Beamten im Aussenministerium initiiert wurde und sich gegen Spar- und Reform-Pläne von Präsident Emmanuel Macron richtet.

Streikende Diplomaten in Paris, 2. Juni
Legende: Erstmals seit 20 Jahren streiken Frankreichs Diplomatinnen und Diplomaten wieder. Ihre Wut richtet sich gegen den Plan des Präsidenten, das «Corps diplomatique» und die renommierte Diplomatie-Ausbildung abzuschaffen. Keystone

Viele Diplomatinnen und Diplomaten erklärten in den sozialen Medien ihre Solidarität. «Französische Diplomaten sind mit Leib und Seele dabei, aber sie sind überarbeitet, unterbezahlt und unterbesetzt», schrieb etwa Frankreichs Botschafter in Aserbaidschan, Zacharie Gross, auf Twitter:

Hintergrund des Streiks sind von Macron eingeleitete Reformen an der Struktur der diplomatischen Laufbahn sowie jahrelange Haushaltskürzungen, die seit 2007 zu einem Rückgang des Personalbestands um etwa 20 Prozent geführt haben.

Angst vor Verlust von Status und Expertise

Frankreich verfügt über das drittgrösste diplomatische Netz der Welt mit rund 1800 Diplomaten und etwa 13’500 Beamten im Aussenministerium. Neu sollen die Diplomatinnen und Diplomaten den Status von Verwaltungsbeamten erhalten. Das Diplomaten-Corps in seiner heutigen Form würde verschwinden.

Künftig sollen Spitzenbeamte zwischen verschiedenen Verwaltungen wechseln können, so etwa aus der Diplomatie in das Finanzministerium und umgekehrt. Damit würden, so die Kritik, auch Jobs und Karrierechancen gefährdet.

Macrons fehlendes diplomatisches Fingerspitzengefühl

Box aufklappen Box zuklappen

Rudolf Balmer, SRF-Mitarbeiter in Paris, spricht von einem aussergewöhnlichen Vorgang. «Auf dem Spiel steht für die Streikenden nicht weniger als Frankreichs Prestige und Einfluss in der Welt – das Ende der Berufsdiplomatie.»

Präsident Macron möchte die Kaste von Staatsdienern für Talente aus anderen Bereichen öffnen. «Diese sollen nicht mehr unbedingt aus der Eliteschule kommen und eine Staatsstelle auf Lebenszeit anstreben», so Balmer. «Diese Demokratisierung des Zugangs zum Staatsdienst tönt zwar positiv. Es schwingt aber auch die Absicht mit Geld zu sparen, was Ressentiments schafft.»

Insgesamt lasse Macron bei seinen Reformplänen das diplomatische Fingerspitzengefühl vermissen, schliesst der Frankreich-Kenner – aber womöglich sei das letzte Wort in der Causa noch nicht gesprochen. Denn schon wiederholt hätten französische Regierungen allzu ambitiöse Reformprojekte im Nachgang zurechtgestutzt.

Für geharnischte Reaktionen sorgt auch die geplante Abschaffung der renommierten diplomatischen Ausbildung. Ein ehemaliger französischer Botschafter in China und Russland erklärte an der Protestkundgebung vor dem Invalidendom in Paris: «Diplomatie ist eine Kunst, die nicht improvisiert werden kann. Sie muss gelernt sein.»   

Kritiker werfen Macron vor, dem Auswärtigen Dienst nicht die nötige Wertschätzung entgegenzubringen. «Zweifellos müssen wir unsere Diplomatie reformieren und stärken, aber nicht auslöschen», schrieb Frederic Jung, der seit 18 Jahren als französischer Diplomat tätig ist, auf Twitter.

SRF 4 News, 03.06.2022, 07:20 Uhr ; 

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