In Ungarn haben am Donnerstag im ganzen Land Lehrerinnen und Lehrer gestreikt. In der Budapester Innenstadt bildeten sie eine 13 Kilometer lange Menschenkette. Ein 13 Kilometer langes Zeichen, dass Lehrerinnen und Lehrer, Schülerinnen und Eltern auch nach Wochen der Proteste nicht müde geworden sind, für bessere Löhne und weniger Ideologie in den Schulen zu protestieren.
Die Schulzimmer blieben trotz des Streiks nicht leer. Die Regierung hat der Lehrerschaft nämlich verboten, die Schulzimmer zu schliessen. Sie können zwar einzelne Lektionen ausfallen lassen, aber die Schülerinnen und Schüler müssen während der Schulzeit betreut werden. Diese Einschränkung des Streikrechts macht es den Lehrern schwer, politischen Druck aufzubauen.
530 Franken nach dem Studium
Eine Lehrerin, die nach ihrem Hochschulstudium mit dem Unterrichten beginnt, erhält in Ungarn 530 Franken im Monat. Das ist ungefähr ein Zehntel mehr als der Minimallohn. Auch später in der Karriere ist der Verdienst schlecht. Der Höchstlohn entspricht in etwa dem einer Kassiererin. Ein Lehrerpaar im teuren Budapest schafft es kaum, eine Familie durchzubringen.
Die Regierung hat eigentlich eingestanden, dass die Lehrpersonen zu wenig verdienen. Ihre Ankündigung: Vielleicht könnten die Löhne nächstes Jahr um 21 Prozent erhöht werden. Zu unverbindlich und vor allem zu tief finden die Lehrergewerkschaften das Angebot: Das würde gerade die hohe Inflation ausgleichen.
Ein schwaches Angebot
Immerhin hat sich die Orban-Regierung jetzt zu Verhandlungen bereit erklärt. Allerdings ist wenig Entgegenkommen zu erwarten. Sie hat vor den Wahlen im April viel Geld ausgegeben. Jetzt muss sie sparen, zumal Ungarn in eine Rezession zu rutschen droht.
Dazu kommt, dass die Europäische Union Milliarden Euro aus dem Corona-Hilfsfonds zurückhält. Sie befürchtet, die ungarische Regierung könnte das Geld in korrupte Kanäle leiten.
Zu viel Ideologie an der Schule
Allerdings geht es bei den Protesten der Lehrerinnen und Lehrer nicht nur um Geld. Sie sind auch ein Protest gegen die Zunahme der Ideologie an den Schulen.
Was das heisst, zeigt sich zum Beispiel im nationalen Lehrplan für Geschichte. Dort heisst es etwa, Schulabgängerinnen und -abgänger sollen stolz sein auf die «Vergangenheit ihres Volkes» sein. Um dieses Ziel zu erreichen, stehen dann in den Geschichtsbüchern auch Unwahrheiten. Etwa, dass die Magyaren von Attila dem Hunnenkönig abstammten. Nichts mehr als eine Legende.
Die stärkere Ideologisierung der Schule zeigt sich aber auch darin, dass die Schulleitungen inzwischen nach politischen Kriterien besetzt werden. Viele Lehrpersonen beklagen sich, sie hätten immer weniger Freiheit bei der Gestaltung des Unterrichts.
Schulleistungen leiden
Bei den Pisa-Studien, welche die Schulleistungen von Schülerinnen in verschiedenen Ländern vergleichen, schneidet Ungarn schlecht ab. Die schulischen Leistungen haben sich seit Orbans Amtsantritt 2010 deutlich verschlechtert.