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Ungarns Universitäten Stiftungen als Zement für Orbans Macht

Ungarns Regierung verschenkt Schlösser und Parks, Theater und Ackerland, vor allem aber elf Universitäten. Sie werden aus dem Staatsbesitz herausgelöst und künftig von privaten Stiftungen verwaltet.

Die Orban-treue Mehrheit im ungarischen Parlament hat die neuen Stiftungen mit viel Vermögen und viel Einfluss versehen. Der Staat übergibt ihnen Immobilien und Aktien im Wert von zig Milliarden Franken. Und er gibt ihnen das Recht zu bestimmen, wer an ungarischen Universitäten was lehrt.

Sorge um Diebstahl und Machtmissbrauch

Das neue Modell werde die ungarischen Hochschulen unabhängiger und effizienter machen, verspricht die Regierung. Diese Privatisierung werde einige Freunde von Viktor Orban reicher machen und seiner Clique auf Jahrzehnte hinaus Einfluss verschaffen, sagen Regierungsgegner. Sie sprechen von Diebstahl und Machtmissbrauch.

Die Sorge ist berechtigt. Denn über das viele Geld und das Personal an den Hochschulen entscheiden von der Regierung handverlesene Stiftungsräte und Stiftungsrätinnen. Viele davon sind Ministerinnen in der heutigen Regierung, Staatssekretäre oder mit Orban verbundene Geschäftsleute.

Einfluss für Jahrzehnte zementiert

Alle Mitglieder der Stiftungsräte sind auf Lebzeiten gewählt. Frei werdende Sitze dürfen sie künftig in Eigenregie vergeben. Sie abzusetzen, ist praktisch unmöglich; dazu bräuchte es im Parlament eine Zweidrittelmehrheit.

So hohe Hürden für einen Wechsel lassen sich auch mit dem berechtigten Wunsch nach Kontinuität nicht rechtfertigen. Sie wirken vielmehr so, als würden sich Orban und seine politischen Gefährten absichern wollen für den Fall, dass sie die Wahlen im kommenden Jahr verlieren.

Die Stiftungsräte garantieren vielen von ihnen noch auf Jahrzehnte hinaus viel Einfluss in wichtigen ungarischen Institutionen und – mindestens so wichtig – Zugang zu gut gefüllten Kassen, aus denen Geld verteilt werden kann. Im Gegensatz zu staatlichen Universitäten müssen die Stiftungen grössere Aufträge nämlich nicht öffentlich ausschreiben, sondern können sie ohne viel Federlesen befreundeten Unternehmern zuschanzen. Ideale Bedingungen für das Geflecht aus Beziehungen und Abhängigkeiten, welches das System Orban heute schon prägt.

Roman Fillinger

Osteuropa-Korrespondent

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Roman Fillinger ist Osteuropa-Korrespondent von Radio SRF. Von 2007 bis 2018 arbeitete er in verschiedenen Funktionen beim «Echo der Zeit», zuletzt als Moderator und stellvertretender Redaktionsleiter.

Echo der Zeit, 29.4.2021, 18 Uhr

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