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UNO-Menschenrechtsrat Eine saftige Ohrfeige für Putin

Ausschlüsse aus dem UNO-Menschenrechtsrat sind äusserst selten. Bisher wurde einzig Libyen suspendiert, 2011, wegen der Gewalt des damaligen Gaddafi-Regimes. Dass es nun mit Russland gar eine der fünf Vetomächte trifft, die als Eckpfeiler und Machtzentren im UNO-System gelten, ist eine Premiere.

Starkes Signal setzen

Für Kreml-Chef Wladimir Putin bedeutet die Suspendierung in erster Linie einen gravierenden Gesichtsverlust. Genau das ist auch das Ziel der Ausschlussresolution. Es geht um ein starkes Signal. Eines, das – ausnahmsweise – Prinzipientreue markiert. Denn seit es den UNO-Menschenrechtsrat gibt, sassen und sitzen dort Mitglieder, die laut den Statuten nie und nimmer dort hingehörten: Länder wie Sudan, Eritrea, Saudi-Arabien, China und viele andere.

Der Grund für die Inkonsequenz: Das weltweit wichtigste Menschenrechtsorgan soll breit abgestützt sein. Ihm sollen nicht nur Musterschüler punkto Rechtsstaatlichkeit angehören. Andernfalls, so die Befürchtung, würden alle andern, den Rat schlicht ignorieren.

Dass Russland jetzt ausgeschlossen wird, weil es Menschenrechte in krasser und systematischer Weise verletzt, ist also nicht der einzige Grund für die Degradierung zum Passivmitglied. Denn das tun etliche andere Mitgliedstaaten ebenfalls. Hingegen hat Russland zusätzlich grundlos und in brutaler Weise ein Nachbarland angegriffen. Deshalb wollten nun viele Länder zumindest ein Zeichen setzen.

Russland steht nicht allein da

Allerdings: Immerhin 24 Regierungen schlugen sich auf die Seite Russlands. Und zwar diesmal nicht nur Schurkenstaaten wie Belarus, Eritrea, Syrien oder Nordkorea, sondern etliche weitere, vor allem asiatische und afrikanische Länder. Besonders gewichtig: Peking stellt sich nun in der UNO erstmals im Zusammenhang mit dem Ukraine-Krieg entschieden hinter Moskau, nachdem es bisher Stimmenthaltung übte und damit den Eindruck einer neutralen Haltung zu erwecken versuchte.

Das Abstimmungsergebnis, so deutlich es ausfiel, zeigt: Ganz allein steht Russland nicht da. Die Argumente seiner Unterstützer sind recht fadenscheinig, bisweilen bürokratisch. In manchen Fällen geht es indes schlicht darum, dass Drittweltstaaten dem Westen zutiefst misstrauen.  Weit mehr als ein halbes Jahrhundert nach dem Ende des Kolonialismus hegen sie noch immer tiefen Groll.  Und vor allem glauben sie, es sich erlauben zu können, sich gegen die USA und andere westliche Länder Stellung zu positionieren. Der Westen gilt weltpolitisch als schwer angeschlagen.

UNO ist geschwächt

Das Problem: So offenkundig es ist, dass Wladimir Putins Russland im Menschenrechtsrat nichts verloren hat, so sehr hat dessen De-Facto-Rauswurf für die UNO ernste Konsequenzen. Ohnehin vermag die Weltorganisation ihre zentrale Aufgabe, Frieden zu schaffen, nicht erfüllen. Der Sicherheitsrat, ihr mächtigstes Organ, ist wegen des russischen Vetorechts im Ukraine-Krieg völlig gelähmt. Generalsekretär António Guterres wirkt hilflos.

Zwar ist es wenig wahrscheinlich, dass Moskau nun wegen des brüskierenden Rauswurfs aus dem Menschenrechtsrat der UNO ganz den Rücken kehrt – wie es das beim Europarat in Strassburg getan hat, sobald klar war, dass ihm dort der Rausschmiss drohte. Russland dürfte bleiben. Denn es kann im UNO-Apparat immer noch viel bewirken und vor allem sehr viel verhindern. Diesen Einfluss wird es nicht freiwillig preisgeben.

Doch die immer offenkundigere Spaltung der UNO, die Missachtung oder gar Verachtung zahlreicher Staaten für Menschenrechte, Rechtsstaatlichkeit und Völkerrecht schwächt die Vereinten Nationen ungemein. Der Vergleich mag drastisch klingen: Doch der seinerzeitige Völkerbund hat den Ausbruch des Zweiten Weltkriegs nicht überlebt. Die Gefahr besteht nun, dass die UNO aus dem Ukraine-Krieg schwer beschädigt hervorgeht.

Fredy Gsteiger

Diplomatischer Korrespondent

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Fredy Gsteiger ist diplomatischer Korrespondent und stellvertretender Chefredaktor bei Radio SRF. Vor seiner Radiotätigkeit war er Auslandredaktor beim «St. Galler Tagblatt», Nahost-Redaktor und Paris-Korrespondent der «Zeit» sowie Chefredaktor der «Weltwoche».

Hier finden Sie weitere Artikel von Fredy Gsteiger und Informationen zu seiner Person.

SRF 4 News, Echo der Zeit, 7.4.2022, 18:00 Uhr

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