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Präsidentin des Uno-Menschrechtsrates spricht Klartext
Aus Echo der Zeit vom 13.10.2020. Bild: Keystone
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UNO-Menschenrechtsrat Menschenrechtsrat-Präsidentin: «Gewisse Länder schalten auf stur»

Der UNO-Menschenrechtsrat hat eine schwierige Herbstsession hinter sich: Finanzprobleme und immer dreistere Versuche zahlreicher Staaten, die UNO-Menschenrechtspolitik zu hintertreiben, sorgen für Spannungen. Nun sollen auch noch etliche weitere Unrechtsstaaten in den Rat gewählt werden. Ein Gespräch mit der Präsidentin des UNO-Menschenrechtsrates, der österreichischen Spitzendiplomatin Elisabeth Tichy-Fisslberger.

Elisabeth Tichy-Fisslberger

Elisabeth Tichy-Fisslberger

Präsidentin des UNO-Menschenrechtsrates

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Botschafterin Elisabeth Tichy-Fisslberger fungiert seit Dezember 2017 als Ständige Vertreterin Österreichs beim Büro der Vereinten Nationen in Genf. Sie wurde im Dezember 2019 für das Jahr 2020 zur Präsidentin des UNO-Menschenrechtsrates gewählt. Sie trat 1988 in den österreichischen diplomatischen Dienst ein.

SRF News: Um die Menschenrechte steht es schlecht. Entsprechend tut sich der UNO-Menschenrechtsrat in Genf schwer. Sie haben in den vergangenen Wochen als Präsidentin dessen Herbstsession geleitet. Gab es – trotz allem – auch Lichtblicke?

Elisabeth Tichy-Fisslberger: Ja. Der UNO-Menschenrechtsrat war im Frühjahr das letzte UNO-Gremium, das Corona-bedingt in den «Lockdown» ging. Und er war nun das erste, das seine Arbeit wieder normal aufnahm. Es ist uns gelungen, klarzumachen, – bei einzelnen Länderdelegationen mit gewissen Schwierigkeiten – dass die Corona-Krise die Menschenrechtsprobleme in aller Welt eher vergrössert hat. Und dass es deshalb einem UNO-Menschenrechtsrat nicht ansteht, nur zu beobachten und nichts zu tun.

Was waren für Sie umgekehrt Tiefpunkte der eben beendeten Session?

Es gelingt uns natürlich nie, alle weltweit auftretenden Menschenrechtsprobleme zu beseitigen. Zumal wir keine rechtsverbindlichen Instrumente haben, Beschlüsse durchzusetzen.

Wir haben im UNO-Menschenrechtsrat Länder, in denen es ganz schrecklich zugeht.

Wir haben auch keinen Gerichtshof im Rücken, wie das in Europa mit dem Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte der Fall ist. Wir haben im UNO-Menschenrechtsrat Länder, in denen es ganz schrecklich zugeht. Auf der anderen Seite haben wir Länder, wie etwa die Schweiz, die vielleicht fast perfekt sind. Dazwischen haben wir die Mehrheit der Länder, die wissen, dass es bei ihnen Missstände gibt. Und die bereit sind, etwas dagegen zu tun. Das aktuelle Positivbeispiel ist der Sudan, der sich vom Menschenrechtsrat beraten lässt und wo sich die Lage deutlich verbessert hat. Etwa indem Gesetze beschlossen wurden, welche die Genitalverstümmelung verbieten.

… doch viele Länder lassen sich nicht beraten…

Genau. Regierungen wie etwa jene in Syrien, Burundi, Venezuela oder Jemen sind nicht bereit zu kooperieren. Dort setzt der Menschenrechtsrat Untersuchungskommissionen ein. Diese sammeln unter anderem Beweise für den Tag, wo dann hoffentlich einmal ein Verfahren vor dem Internationalen Strafgerichtshof in Den Haag gegen die Verantwortlichen stattfindet. So wurde zum Beispiel die burmesische Führung vor den Strafgerichtshof gebracht. Und da ist man natürlich froh, wenn man vorgängig Beweismaterial hat.

Belarus war ein grosses Thema. Doch längst nicht alle Mitglieder des Rates wollten eine Dringlichkeitssitzung zu den Menschenrechtsverletzungen durch das Regime in Minsk…

Es gibt wohl manche Regierung, die gar nicht so genau weiss, wo sich Belarus befindet oder für welche die Situation dort keine Wichtigkeit oder Dringlichkeit hat. Deshalb haben sich manche Länder nicht sehr engagiert. Mir fiel aber auf, dass die belarussische Regierung auch nicht viel Unterstützung bekommen hat. Und am Ende gelang es, eine Resolution zu verabschieden, die Belarus kritisiert. Allerdings mit vielen Enthaltungen. Immerhin wollten die wenigsten Staaten dabei mitmachen, die belarussische Regierung zu verteidigen.

Diese Woche wählt die UNO-Generalversammlung fünfzehn neue Mitglieder in den UNO-Menschenrechtsrat. So gut wie gewählt sind China, Russland, Saudi-Arabien oder Kuba. Diese Länder agieren punkto Menschenrechte alles andere als mustergültig. Ist die Wahl solcher Länder nicht ein Hohn?

Das ist ein zweischneidiges Schwert. Man kann durchaus argumentieren, dass Länder, die sich nicht vorteilhaft benehmen, gar nicht aufgenommen werden sollen, weil schon die Mitgliedschaft als eine Art Gütesiegel interpretiert werden kann.

Was hat es für einen Sinn, wenn im Menschenrechtsrat nur Länder wie die Schweiz, Norwegen oder Kanada sitzen und sich dann darüber unterhalten, dass sich andere Länder schlecht benehmen?

Doch man kann umgekehrt sagen: Was hat es für einen Sinn, wenn im Menschenrechtsrat nur Länder wie die Schweiz, Norwegen oder Kanada sitzen und sich dann darüber unterhalten, dass sich andere Länder schlecht benehmen? Das würde diese anderen Länder sicher nicht dazu veranlassen, irgendetwas zu verbessern.

Wenn man sich hingegen mit ihnen zusammensetzt und immer wieder auf problematische Dinge hinweist, kann man mit der Zeit vielleicht doch eine gewisse Einsicht und damit Verbesserungen erreichen. Es gibt Länder, die schalten auf stur. Es gibt aber genug andere, die sich wenigstens bemühen, in kleinen Schritten etwas zu verbessern. Darin sehe ich den Sinn einer sehr gemischten Mitgliedschaft.

Müsste man nicht zumindest krasse Fälle wie Saudi-Arabien ausschliessen, dessen Regime sogar von der UNO-Sonderberichterstatterin wegen der Ermordung des Journalisten Dschamal Khashoggi scharf kritisiert wurde?

Das stimmt. Aber die Mitgliedschaft ist eben kein Urteil darüber, wie gut oder schlecht sich ein Land benimmt. Sie ist auch kein Garant dafür, dass ein Land nicht mehr kritisiert wird, wenn es drin ist im Menschenrechtsrat. Früher galt das gelegentlich, weil manche Länder sich scheuten, schlecht über Anwesende zu reden. Aber das funktioniert nicht mehr.

Es gibt Länder, allen voran China, die nicht nur selber die Menschenrechte mit Füssen treten, sondern zugleich versuchen, die internationale Menschenrechtspolitik auszuhöhlen…

Das ist richtig. Es hat bestimmt auch nicht geholfen, dass sich die USA aus dem Menschenrechtsrat zurückgezogen haben. Das hat eine Lücke geschaffen, in die nun Staaten wie China hineinstossen. Wenn man anderen die Bühne überlässt, darf man sich nicht wundern, dass die Entwicklung in eine Richtung geht, die man ungern sieht.

China verhielt sich lange still im Menschenrechtsrat. Das hat sich geändert. Peking versucht inzwischen – und findet dafür, vor allem in Afrika und Asien, auch Verbündete – gänzlich andere Vorstellungen von Menschenrechten durchzusetzen. Für China steht das Recht auf Entwicklung im Vordergrund. Dieses Recht haben nicht einzelne Menschen, sondern Staaten. China will wegkommen von individuellen Menschenrechten, auf die sich Bürgerinnen und Bürger gegenüber dem Staat berufen können.

Etwas vom besten beim Menschenrechtsrat sind die zahlreichen Sonderberichterstatter, die recherchieren, wie es in einzelnen Ländern um die Menschenrechte steht, und die dann offen Kritik üben. Nun gibt es aber Bestrebungen, unter anderem mit zwei Briefen von Regierungen an Sie als Präsidentin, die Rolle der Sonderberichterstatter zu schwächen…

Das ist nicht ganz neu. Viele Länder sind rundweg dagegen, dass im Menschenrechtsrat einzelne Länder kritisiert werden. Mit mancherlei Methoden versuchen sie, das zu verhindern. Etwa indem immer wieder neue thematische Mandate für Sonderberichterstatter erfunden werden. Jüngst etwa ein weiteres zum Recht auf Entwicklung. Man will so erreichen, dass die Finanzmittel fehlen für die Mandate der länderspezifischen Sonderberichterstatter.

Die Menschenrechtspolitik ist einer der drei Hauptpfeiler der UNO – neben Frieden und Sicherheit sowie Entwicklung. Ist sie nicht mit Abstand der schwächste Pfeiler, auch angesichts des bescheidenen Anteils am UNO-Budget von weniger als vier Prozent?

Sie war von Anfang an der schwächste Pfeiler. Und auch finanziell stark unterdotiert.

Menschenrechtsverstösse sind oft der Auslöser für militärische Konflikte.

Man versucht jetzt, die Menschenrechte zu verknüpfen mit den anderen Pfeilern Frieden und Sicherheit sowie Entwicklung und ihnen so mehr Gewicht zu geben. Menschenrechtsverstösse sind schliesslich oft der Auslöser für militärische Konflikte. Und sie behindern die wirtschaftliche Entwicklung von Staaten.

Die UNO-Hochkommissarin klagte in der Herbstsession über die finanzielle Situation, die durch die Corona-Krise noch verschärft wurde. Wie dramatisch ist die Situation?

Sie ist gravierend. Nicht nur ist das beschlossene Budget bescheiden. Hinzu kommt nun, dass viele Länder nicht mal die verabschiedeten Beiträge zahlen. Wir sind nun im Oktober und man hat soeben bei einem Kassensturz in New York festgestellt, dass nur 38 der 193 UNO-Mitgliedsländer ihre Beiträge für 2020 voll bezahlt haben. Das Hochkommissariat für Menschenrechte ist wegen der geringen ordentlichen Geldzuweisungen stark auf Zusatzzahlungen angewiesen – und von denen fallen nun viele aus.

Haben die Säumigen echte Zahlungsprobleme oder wollen sie die UNO schwächen?

Es gibt Länder wie die USA, – und nicht nur sie – die damit zeigen wollen, dass sie die UNO und den Multilateralismus nicht sehr schätzen. Es gibt aber auch viele, die wegen Corona in einer tiefen Wirtschaftskrise stecken und wirklich nicht zahlen können.

Das Gespräch führte Fredy Gsteiger.

Rendez-vous, 13.10.2020, 12:30 Uhr;

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