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UNO-Welternährungsprogramm «Friedensnobelpreis ist Anerkennung für unsere Arbeit»

Das Welternährungsprogramm der UNO hat überraschend den Friedensnobelpreis erhalten. Die Schweizerin Corinne Fleischer ist Landesdirektorin für Syrien. Im Skype-Gespräch mit SRF sagt sie, was der Preis für die Organisation bedeutet und was sie sich davon für ihre Arbeit erhofft.

Corinne Fleischer

Leiterin UNO-Welternährungsprogramm im Nahen Osten

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Corinne Fleischer ist Leiterin des UNO-Welternährungsprogramms (WFP) im Nahen Osten. Fleischer ist Schweizerin und hat in Genf studiert. Sie arbeitet seit 1999 für das Welternährungsprogramm und war unter anderem in Syrien, Äthiopien, Thailand und Sudan stationiert.

SRF News: Sie sind seit heute Nobelpreisträgerin – was bedeutet das für Sie?

Corinne Fleischer: Es ist eine Welle der Erfüllung und der Begeisterung durch die ganze Organisation gegangen. Das ist für uns eine Anerkennung für die harte und oft gefährliche Arbeit, die wir machen. Für unsere syrischen Kollegen und Partner-Organisationen ist das eine wertvolle Auszeichnung. Sie haben gesehen, wie ihr Land in Trümmer zerfallen ist und sind trotz der Gefahren jeden Tag zur Arbeit gekommen und haben ihre Mitbürger unterstützt. Aber wir haben nicht lange Zeit zum Feiern. Viel Arbeit wartet auf uns.

Wir schätzen, dass Ende Jahr weltweit 80 Prozent mehr Menschen akuten Hunger haben werden als noch vor einem Jahr

Das UNO-Welternährungsprogramm wird auch für den Beitrag zur Verbesserung der Bedingungen in Kriegsgebieten ausgezeichnet. Können Sie dies in Syrien erreichen?

In Syrien ist im Moment fast die Hälfte der Bevölkerung auf Nahrungsmittelhilfe angewiesen. Das sind 20 Prozent mehr als noch vor einem Jahr. Während die Leute nach neun Jahren Krieg gehofft haben, dass sie ein neues Leben beginnen und ihren Kindern eine Zukunft geben können, ist dies wegen des andauernden Konflikts, der Wirtschaftskrise und jetzt auch noch wegen Covid-19 nicht zu erreichen.

Das UNO-Welternährungsprogramm unterstützt fünf Millionen Menschen in Syrien. Aber es kommen jetzt zusätzlich Tausende zu unseren Verteilzentren und bitten darum, auf die Verteillisten zu kommen, damit sie überleben können. Leider können wir trotz der Grosszügigkeit unserer Geldgeber nicht noch mehr Menschen ernähren, weil wir das Geld dafür nicht haben. Ja, wir erreichen einiges, aber nicht genug.

Was erhoffen Sie sich durch den Friedensnobelpreis für Ihre Arbeit?

Der Hunger in der ganzen Welt wird leider grösser. Wir schätzen, dass am Ende dieses Jahres weltweit 80 Prozent mehr Menschen akuten Hunger haben werden als noch vor einem Jahr. Wir erhoffen uns, dass die Geberländer, die wegen der Coronakrise eine Verantwortung haben für ihre eigene Bevölkerung und versuchen müssen, die Wirtschaft aufrechtzuerhalten, die anderen Menschen nicht vergessen.

Hoffen Sie, dass dank des Nobelpreises mehr Geld fliessen wird?

Ja. Kürzlich sagte mir in Syrien eine Frau, sie danke für die Hilfe, ihre Familie hätte sonst nicht überlebt. Ein Taxifahrer erzählte, er arbeite Tag und Nacht, um seine Familie zu ernähren. Aber die Preise für Nahrungsmittel sind dreieinhalb Mal so hoch wie vor einem Jahr. Ein Grundnahrungsmittelpaket kostet 40 Prozent mehr als ein Durchschnittseinkommen. Die Leute können ihre Nahrungsmittel nicht mehr kaufen und brauchen unsere Unterstützung mehr denn je.

Das Gespräch führte Viviane Manz.

Tagesschau, 09.10.2020, 19:30 Uhr ; 

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