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Steht Kasachstan vor einer Revolution?
Aus Echo der Zeit vom 06.01.2022. Bild: Keystone
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Unruhen in Kasachstan Steht Kasachstan vor einer Revolution?

Wenn in einem Land die Statuen einer grossen Führerfigur gestürzt werden, dann stehen die Zeichen auf Revolution. Das Regime in Kasachstan ist offenbar nervös und hat von Moskau Hilfe angefordert. Einschätzungen von Journalistin Edda Schlager, die seit 2005 in der kasachischen Wirtschaftsmetropole Almaty lebt und zurzeit wegen eines gestrichenen Rückflugs in Berlin gestrandet ist.

Edda Schlager

Edda Schlager

Zentralasien-Expertin

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Edda Schlager lebt seit 2005 in Almaty in Kasachstan und reist regelmässig in die zentralasiatischen Nachbarländer. Sie berichtet für deutschsprachige Printmedien und Radiosender aus Zentralasien.

SRF News: Auch Sie haben momentan keinen direkten Kontakt ins Land, waren aber bis kurz vor Weihnachten noch da. War da diese Wut im Volk schon spürbar?

Edda Schlager: Ich vermutete bei der Abreise, dass es zu den Feierlichkeiten anlässlich des 30. Jahrestags der Unabhängigkeit Ausschreitungen geben wird. Die Wut hat sich auch nicht innert Monaten aufgebaut. Proteste gibt es seit Jahren, auch wenn sie nicht so heftig waren wie jetzt.

Es ging anfänglich um die Preise für Flüssiggas, die Anfang Jahr verdoppelt wurden. Sie sagen aber, dass die Gaspreise nicht das Problem sind?

Tatsächlich sind die wirtschaftlichen Beschränkungen das Problem. Die Menschen haben keine Perspektiven und werden gegängelt von einem autoritären System, das auf Korruption und Vetternwirtschaft beruht. Der 2019 zurückgetretene Ex-Präsident Nursultan Nasarbajew sorgte dafür, dass sich viele Menschen einen bescheidenen Wohlstand aufbauen konnten. Die Eliten sowieso, die sich, wie auch Nasarbajews Familie, bereichert haben. Die Unzufriedenheit nahm in den vergangenen Jahren aber zu, auch wegen der Coronakrise.

Was stört die Menschen am meisten?

Korruption und Vetternwirtschaft. Unternehmern mit einer tollen Idee wird das aufgebaute Geschäft nach einigen Jahren einfach abgenommen. Wer Glück hat, bekommt noch wenig Geld von der Gebietsverwaltung. Diese Ungerechtigkeit empfinden Gebildete ebenso wie einfache Arbeitende. Allen ist bewusst, dass es nur zur Bereicherung gewisser Gruppen führt.  

Nun werden Statuen von Langzeitherrscher Nasarbajew von den Sockeln gerissen. Denken Sie, dass er bald Geschichte ist?

Ich denke, das System Nasarbajew ist Geschichte. Er ist über 80 Jahre alt und soll auch schwer krank sein. Die jetzigen Unruhen besiegeln das. Vielleicht hat die Familie ihre Reichtümer bereits ausser Landes geschafft. Der Rücktritt Nasarbajews vom Vorsitz des Sicherheitsrats war ein wichtiges Zeichen.

Ein demokratisches Bewusstsein und eine richtige Zivilgesellschaft konnten sich in Kasachstan nicht entwickeln.
Autor:

Russische Fallschirmjäger sollen über Nacht ins Land gekommen sein. War die schnelle Hilfe aus Moskau für den ehemaligen Sowjetstaat zu erwarten?

Nicht so schnell und nicht prinzipiell. Denn Kasachstan betonte immer die Unabhängigkeit. Nasarbajew wie auch sein Nachfolger Kassim-Schomart Tokajew strichen nur die guten wirtschaftlichen Beziehungen zu Russland heraus und betonten, sie liessen sich nicht vereinnahmen.

Gibt es eine fähige Opposition, die bei einem Machtwechsel übernehmen könnte?

Das sehe ich nicht, auch wenn es Gruppierungen mit Kommunikationsstrategien und Netzwerken gibt. Oder den Ex-Banker und Oligarchen Muchtar Äbljasow, der vom Ausland aus vorgibt, Proteste zu steuern. Im Land sehe ich aber keine integrative Oppositionsfigur. Die Opposition wird seit Jahrzehnten massiv unterdrückt. Es gibt keine Pressefreiheit, ein demokratisches Bewusstsein konnte sich nicht entwickeln und somit auch keine richtige Zivilgesellschaft. Mit der massiven Militärpräsenz durch Russland und die eigenen Sicherheitsbehörden sehe ich überhaupt keine Chance, dass sich etwas entwickeln könnte. Das wird jetzt massiv mit Gewalt unterdrückt.

Das Gespräch führte Roger Brändlin.

Echo der Zeit, 06.01.2022, 18:00 Uhr;

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