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Unsicherheiten beim Impfstoff Wirbel um Astra-Zeneca – das ist der aktuelle Wissensstand

Sinnvolle Vorsichtsmassnahme: Die Unsicherheiten rund um den Covid-19-Impfstoff von Astra-Zeneca häufen sich. So hat Deutschland entschieden, den Impfstoff des schwedisch-britischen Herstellers nur noch bei über 60-Jährigen uneingeschränkt einzusetzen. Diese Empfehlung hatte die deutsche Impfkommission gemacht. Hintergrund sind Blutgerinsel im Hirn, welche in sehr seltenen Fällen nach der Impfung auftraten. SRF-Wissenschaftsredaktorin Katrin Zöfel spricht von einer Vorsichtsmassnahme. «Und ja, sie macht Sinn. Diese Nebenwirkung ist extrem selten, aber sie ist schwerwiegend.»

«Doppele Volte» beim Impfstoff: Zur Verunsicherung trägt bei, dass der Impfstoff zunächst nur für unter 65-Jährige zugelassen war – jetzt aber für alle über 60. Der «Spiegel» spricht von einer «doppelten Astra-Volte». «Es gibt tatsächlich eine Kette von Ereignissen um diesen Impfstoff, bei der man manchmal schon den Kopf schüttelt», sagt Zöfel zum Hin und Her. «Grundsätzlich ist es aber ganz normal, dass das Wissen zu einem Impfstoff nach der Zulassung noch wächst und sich verändern kann.»

In der Schweiz steht Zulassung noch aus

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In der Schweiz ist der Impfstoff von Astra-Zeneca noch nicht zugelassen. Die Eidg. Impfkommission hat sich noch nicht offiziell geäussert, weil über eine Zulassung noch nicht befunden wurde. Christoph Berger, der Vorsitzende der Impfkommission, hat aber bereits Folgendes vorgeschlagen: Nach einer allfälligen Zulassung soll der Astra-Zeneca-Impfstoff den Impfwilligen angeboten werden. Sie könnten sich dann aber auch dafür entscheiden, sich später mit einem anderen Impfstoff impfen zu lassen.

Dass der Impfstoff in Deutschland zunächst nicht an ältere Menschen verimpft wurde, lag laut Zöfel nicht an Zweifeln an dessen Wirksamkeit. Es hätten schlichtweg ausreichende Studienergebnisse gefehlt. Also sei der Impfstoff erst einmal an die Jüngeren verabreicht worden, denn hier sei die Wirksamkeit bereits belegt gewesen. «Inzwischen hat der Hersteller Daten nachgereicht, die zeigen, dass der Impfstoff auch bei älteren Menschen wirkt.»

Vor allem jüngere Frauen betroffen: Die Nebenwirkung führte nun also zu einem Umdenken bei der deutschen Impfkommission. Zöfel hält fest: Dass solche sehr seltenen Nebenwirkungen erst nach der Zulassung gefunden werden, ist nicht ungewöhnlich. Denn Studien für die Zulassung eines Impfstoffs werden «nur» mit ein paar zehntausend Probanden durchgeführt – die mögliche Nebenwirkung ist in Deutschland nach 1.6 Millionen Impfungen 31 Mal aufgetreten. «Man kann sich gut ausrechnen, dass es wahrscheinlich ist, dass eine so seltene Nebenwirkung in den Studien nicht gesehen wurde.» Deshalb sei die Überwachung nach Zulassung auch so zentral.

Spitzenpolitiker sollen sich impfen lassen

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Die deutschen Bundesländer sollen jetzt auch die 60- bis 69-Jährigen in die Impfkampagne mit Astra-Zeneca miteinbeziehen können – damit wird auch eine Impfung von etlichen Spitzenpolitikern möglich, die bisher auf die Prioritätensetzung der deutschen Impfkommission verwiesen hatten. «Wenn ich dran bin, lasse ich mich impfen – auch mit Astra-Zeneca», sagte Bundeskanzlerin Angela Merkel.

Gesundheitsminister Jens Spahn (CDU) hatte nach Informationen von Reuters aus Teilnehmerkreisen in der Bund-Länder-Schalte auch Ministerpräsidenten über 60 aufgefordert, sich nun als Vorbild impfen zu lassen, um das Vertrauen in Astra-Zeneca zu stärken. «Die Älteren in dieser wachsenden dritten Welle zu schützen, ist wichtig», sagte er in einer gemeinsamen Medienkonferenz mit der Kanzlerin.

Das zuständige Paul-Ehrlich-Institut meldete bis Dienstagmittag, dass 9 der 31 Fälle sogenannter Sinusvenenthrombosen nach der Astra-Zeneca-Impfung einen tödlichen Ausgang hatten. Mit Ausnahme von zwei Fällen seien Frauen im Alter von 20 bis 63 Jahren betroffen gewesen. Der Mechanismus dahinter sei noch nicht ganz geklärt, sagt Zöfel. «Es kann eine Autoimmunreaktion sein. Das klinische Bild ähnelt insgesamt einer Komplikation, die vorkommen kann, wenn Patienten den Blutverdünner Heparin bekommen.»

Unterschiedliche Abwägungen der Behörden: Deutschland hatte die Impfung mit dem Astra-Zeneca-Impfstoff wie auch andere Länder zwischenzeitlich gestoppt und dann wieder zugelassen. Die Europäische Arzneimittelagentur (EMA) taxierte den Impfstoff derweil als sicher und wirksam. Die EMA wäge das Risiko für ganz Europa ab – also auch für Länder, die ungleich schwerer vom Coronavirus betroffen sind als Deutschland, sagt Zöfel. «Das verschiebt die Risikoabwägung zugunsten des Impfstoffs.»

EMA wird Impfstoff-Sicherheit erneut beraten

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Die Europäische Arzneimittelagentur (EMA) wird in der kommenden Woche erneut über die Sicherheit des Astra-Zeneca-Impfstoffes beraten. Eine Expertengruppe sei am Montag bereits zusammenkommen.

Ihr Bericht und weitere Analysen sollten beim Treffen des Sicherheitsausschusses der EMA vom 6. bis 9. April beraten werden. Dann werde auch eine Aktualisierung der EMA-Empfehlung erwartet, wie die EMA auf Anfrage der Nachrichtenagentur dpa mitteilte.

Dazu kommt: Die Überwachung von Impfnebenwirkungen sei in Deutschland sehr gut und standardisiert, so die Wissenschaftsredaktorin. «Es kann sein, dass diese Nebenwirkung deswegen gerade in Deutschland aufgefallen ist. Und die vorliegenden Informationen prägen natürlich die Entscheidung der dortigen Behörden.»

SRF 4 News, 31.03.2021, 9:30 Uhr ; 

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