Zum Inhalt springen

Unterhaus will einen Plan B Regierung und Parlament im Konflikt

Zweimal innerhalb von weniger als 24 Stunden hat die britische Regierung nun empfindliche Niederlagen im Unterhaus erlitten. Das Parlament will die Kontrolle darüber erlangen, wie es mit dem Brexit weitergeht.

Speaker im Kreuzfeuer

Es waren beispiellose Szenen in den heiligen Hallen des Unterhauses. Am Mittwoch, nach der Fragestunde der Premierministerin, wurde der Speaker des Unterhauses, John Bercow, während mehr als einer Stunde von wutentbrannten konservativen Hinterbänklern zur Rede gestellt. Selbst die für die Parlamentsgeschäfte zuständige Kabinettsministerin, Andrea Leadsom, bezweifelte die Unparteilichkeit Bercows offen.

Beschleunigung

Der Anlass: Der Speaker hatte – entgegen altem Herkommen und wohl auch entgegen dem Rat seiner Beamten – einen kritischen Zusatz zur Abstimmung freigegeben. Darin wird die Regierung gezwungen, nach einer Niederlage in der Abstimmung über den Scheidungsvertrag mit der EU innerhalb von drei Tagen eine Alternative vorzuschlagen. Bisher standen ihr dafür drei Wochen zur Verfügung. Eine Koalition von Abgeordneten aus allen Parteien verhalf dem Antrag zum Sieg.

Den Absturz verhindern

Dieselben Rebellen hatten schon am Dienstagabend durchgesetzt, dass der Zugang der Regierung zu Steuergeldern bei der Vorbereitung auf den vertragslosen Zustand von der Zustimmung des Unterhauses abhängig sein wird.

Beide Vorlagen verändern die Sachlage im Moment nicht dramatisch. Aber sie stellen bedeutsame Wegmarken in einer offenen Kraftprobe zwischen dem Unterhaus und der geschwächten Minderheitsregierung von Theresa May dar. Das Parlament will – um nahezu jeden Preis – den Absturz in den vertragslosen Zustand nach dem 29. März verhindern. Deshalb will es die Geschäfte des Parlaments, die normalerweise von der Regierung diktiert werden, selbst bestimmen.

Mit Volldampf in die Niederlage

Nun debattiert das Unterhaus also wieder über den Scheidungsvertrag mit der EU. Theresa May hatte die Vorlage im Dezember zurückgezogen, um einer haushohen Niederlage zu entgehen. Diese steht nun am nächsten Dienstag auf der Tagesordnung. Erst wenn der Vertrag versenkt ist, können Alternativen erwogen werden. In diesem Prozess wollen die Abgeordneten der Regierung die Deutungshoheit abringen.

Martin Alioth

Ehemaliger Grossbritannien- und Irland-Korrespondent, SRF

Personen-Box aufklappen Personen-Box zuklappen

Der ehemalige Grossbritannien- und Irland-Korrespondent von Radio SRF lebt seit 1984 in Irland. Er hat in Basel und Salzburg Geschichte und Wirtschaft studiert.

Meistgelesene Artikel