Im Februar begann in Italien, was bald den ganzen Kontinent in eine tiefe Krise stürzen sollte: Das Coronavirus erreichte das Land mit voller Wucht. Im März erliess die Regierung im Rom als erstes europäisches Land rigide Massnahmen zur Eindämmung der Epidemie.
Besonders die Kleinsten traf es hart. Über Wochen mussten sie in den eigenen vier Wänden ausharren. Nun, nach einem halben Jahr, gehen Kinder und Jugendliche in Italien wieder zur Schule. Premierminister Giuseppe Conte wandte sich in einer Fernsehansprache an die Schülerinnen und Schüler des Landes: «Danke, Ihr habt den höchsten Preis in dieser Krise bezahlt.»
Alles (fast) wie immer
Und auch SRF-Korrespondent Franco Battel bestätigt: «Für die Regierung ist die Wiederöffnung der Schulen eine absolute Priorität.» Zumal längst nicht alle Familien Zugang zu einem Computer und schnellem Internet hätten und Fernunterricht deswegen nicht für alle Kinder eine Option sei.
Allerdings ist Italien mit Beginn des neuen Schuljahres von einem normalen Unterricht noch weit entfernt: Unter anderem besteht Maskenpflicht – dafür wollen die Behörden jeden Tag landesweit kostenlos elf Millionen Masken für Schüler und Lehrer bereitstellen.
Italien hat ein Problem: Die Lehrkräfte sind zu einem grossen Teil überaltert.
«Zudem will die Regierung in Rekordzeit alle Zweierpulte durch Einerpulte ersetzen, um Abstand zu schaffen», berichtet Battel. Zudem empfiehlt die Regierung den Eltern allmorgendliches Fiebermessen bei ihren Kindern. Schliesslich bleibt für einen Teil der Schüler – vor allem in den oberen Klassen – Homeschooling an der Tagesordnung.
Bei den Lehrkräften wiederum herrsche Vorfreude, aber auch Sorge, sagt Battel: «Italien hat ein Problem: Die Lehrkräfte sind zu einem grossen Teil überaltert.» Um Risikopersonen zu schützen, hat die Regierung angekündigt, dass sich diese vom Unterricht dispensieren lassen können. Unter Hochdruck werde nun versucht, Stellvertretungen zu organisieren.
Eltern-Protest in Spanien
Im Corona-Hotspot Spanien hat der Unterricht in den meisten Regionen bereits begonnen – heute folgt die autonome Region Katalonien. Doch der Schulstart wird von Misstönen begleitet: Es wurde heftig über Quarantäne-Pläne, Klassengrössen und zusätzliche Klassenzimmer diskutiert. Viele Elternverbände halten die Massnahmen für unzureichend – einige wollen streiken und ihre Kinder zu Hause lassen.
Die Staatsanwaltschaft erinnerte die Elternverbände postwendend daran, dass in Spanien bis zum 16. Lebensjahr Schulpflicht besteht. «Schwänzen könnte also strafrechtliche Folgen haben – das dürfte viele abschrecken», so die freie Journalistin Julia Macher. Nichtsdestotrotz: Die Frage, wie sicher die Schulen seien, beschäftige viele Eltern im Land stark.
Diesen Ängsten wollen die Schulbehörden entgegenwirken, indem in «Blasen» unterrichtet wird: Reduzierte, fixe Gruppen mit einer Hauptlehrkraft – die einzelnen «Blasen» begegnen sich nach Möglichkeit nicht. Allerdings mangle es vielerorts an Lehrkräften und Räumlichkeiten, um das aufwendige Modell durchzuziehen, so Macher.
Treten Corona-Fälle auf, kommen ganze Klassen in Quarantäne – auch Schulschliessungen sind möglich, wenn mehrere Klassen betroffen sind. «Dann erfolgt der Unterricht wieder online. Wie genau, entscheidet die jeweilige Schule selbst», so die Journalistin.
In Italien und Spanien bleibt der Schulstart also vor allem eins: Ein Experiment mit ungewissem Ausgang.