Seit dem Sommer greift die US-Armee vor der Küste Venezuelas vermeintliche Drogenboote an. Über 20 Menschen sollen getötet worden sein. Die UNO mahnt zur Zurückhaltung, doch die USA wollen die Angriffe offenbar ausweiten, und es soll auch Pläne für Landeinsätze geben. Das sei unwahrscheinlich, aber nicht ganz auszuschliessen, sagt Lateinamerika-Expertin Sabine Kurtenbach.
SRF News: Will Präsident Donald Trump Venezuelas Machthaber Nicolás Maduro stürzen?
Das dürfte eines der Ziele dieser Aktion sein, womöglich aber gar nicht das Hauptziel des US-Präsidenten. Aussenminister Marco Rubio ist seinerseits für seine sehr harte Haltung gegenüber Venezuela bekannt und möchte einen Regimewechsel herbeiführen. Als Legitimation hat die Trump-Regierung Drogenorganisationen zu terroristischen Organisationen erklärt. Letztlich ist es wahrscheinlich eine Mischung von Motiven. Denn Venezuela spielt im Drogenhandel eine sehr kleine Rolle. Gerade dort ein Exempel zu statuieren, macht nicht viel Sinn.
Die USA taxieren Maduro als Drogenboss. Ist seine Regierung eine Art Drogenkartell?
Gesichert ist, dass ungefähr zehn Prozent des regionalen Kokains über Venezuela gehandelt werden. Im Vergleich zu den Mengen an Kokain direkt aus Kolumbien oder Fentanyl aus Mexiko ist das eine verschwindend kleine Menge. In den USA ist heutzutage auch eher Fentanyl das Problem, während Kokain überwiegend nach Europa gelangt.
Warum geht Trump trotzdem mit grossem Geschütz gegen die vermeintlichen Drogenboote vor?
Es ist natürlich auch ein bisschen Theaterdonner von Trump – um zu zeigen, dass er etwas tut. Denn das Drogenproblem innerhalb der USA ist massiv. Wenn Trump also den Konsum nicht eindämmen kann oder will, macht eine solche Drohgebärde für die Medien und die eigenen Leute durchaus Sinn.
Was hätten die USA von einem Regimewechsel in Venezuela?
Das ist schwierig zu sagen. Venezuela steht immer wieder einmal wegen des Öls unter US-Sanktionen. Die Ölindustrie, so eine These, würde nach einem Regimewechsel saniert und modernisiert. Am Zugang zu Öl hat die Trump-Regierung bekanntlich ein grosses Interesse. Venezuela sitzt mit auf den grössten Ölreserven der Welt.
Zugleich ist da der ideologische Konflikt zwischen Venezuela und den USA. Venezuela wird von rechten und konservativen Kreisen in den USA wie auch in Lateinamerika als «castro-chavistische» Gefahr für die regionale Sicherheit bezeichnet, was aber wenig Hintergrund hat. Venezuela bietet ein anderes Modell an, das aber gerade unter Maduro wenig attraktiv ist. Denn es wird mit Gewalt und Repression aufrechterhalten und geht nicht, wie zumindest in den Anfängen unter Hugo Chávez, mit einer Verbesserung der Lebensbedingungen der armen Bevölkerung einher.
Doch weder bei Trump noch Maduro ist sicher, ob sie rational agieren.
Wie wahrscheinlich ist es, dass Trump in Venezuela an Land Angriffe lanciert?
Rational überlegt, wäre das das Dümmste, was er machen kann. Denn Venezuela ist nicht Panama, wo die USA 1989 während dreier Tage die Nuntiatur des Vatikans belagert haben, wohin sich Manuel Antonio Noriega geflüchtet hatte, und ihn dann ausflogen. So ein Spaziergang würde das in Venezuela nicht. Doch weder bei Trump noch Maduro ist sicher, ob sie rational agieren. Ich halte es deshalb für unwahrscheinlich, würde es aber auch nicht ausschliessen.
Das Gespräch führte Brigitte Kramer.