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US-Präsident in Bedrängnis «Der Whistleblower-Bericht wirkt glaubwürdig»

Ein Whistleblower beschuldigt US-Präsident Trump, den ukrainischen Präsidenten unter Druck gesetzt zu haben. Derzeit wird der Geheimdienstchef vor dem Parlament zum Fall befragt. Er hatte sich geweigert, den Hinweis des Whistleblowers weiterzuleiten. Und: Ebenfalls heute ist der Bericht des Hinweisgebers publiziert worden. SRF-Korrespondentin Isabelle Jacobi entwirrt die neuesten Entwicklungen.

Isabelle Jacobi

USA-Korrespondentin, SRF

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Nach dem Studium in den USA und in Bern arbeitete Jacobi von 1999 bis 2005 bei Radio SRF. Danach war sie in New York als freie Journalistin tätig. 2008 kehrte sie zu SRF zurück, als Produzentin beim Echo der Zeit, und wurde 2012 Redaktionsleiterin. Seit Sommer 2017 ist Jacobi USA-Korrespondentin in Washington.

SRF News: Was steht in diesem neuen Papier?

Isabelle Jacobi: Das Papier zeigt, dass das Weisse Haus monatelang Druck auf die Ukraine ausgeübt hat – bevor der Telefonanruf zwischen den Präsidenten Trump und Selenski stattfand. Hauptakteur war der Anwalt Rudy Giuliani. Er bearbeitete die alte und die neue ukrainische Regierung, in zwei Fällen zu ermitteln.

Der Whistleblower-Bericht ist sorgfältig geschrieben, ist juristisch informiert und nennt detaillierte Fakten. Er wirkt also auf Anhieb glaubwürdig.

Erstens im Fall des demokratischen Präsidentschaftskandidaten Joe Biden und dessen Sohn – wegen angeblicher Korruption. Zweitens im Fall eines angeblichen Servers, von dem aus die demokratische Partei gehackt worden sei im Jahr 2016, und den Giuliani in der Ukraine vermutet. In beiden Fällen geht es um «Oppositionsrecherchen», die Trump in seinem Wahlkampf nützlich sein könnten. Der Bericht spricht von klarem Amtsmissbrauch.

Die Beweislage gegen Trump ist also möglicherweise klarer als angenommen?

Der Bericht liefert viele Fäden, die die Demokraten in ihren Ermittlungen zum Amtsenthebungsverfahren aufnehmen können. Offenbar haben rund ein Dutzend Leute aus dem Geheimdienst, dem Weissen Haus und dem Aussendepartement das Telefonat mitgehört. Der Bericht nennt sechs Quellen, die schwerste Bedenken geäussert und Alarm geschlagen hätten.

Maguire.
Legende: Maguire hat den Hinweisgeber in der Ukraine-Affäre verteidigt. «Ich denke, dass der Whistleblower das Richtige getan hat», sagte er vor dem Geheimdienstausschuss des US-Repräsentantenhauses. Keystone

Es stellt sich die Frage nach der Glaubwürdigkeit des Whistleblowers. Weiss man unterdessen, wer er ist?

Nein. Man kennt auch seine oder ihre Quellen nicht. Das öffnet für die Republikaner und das Weisse Haus die Möglichkeit, dahinter eine Attacke zu vermuten. Der Whistleblower-Bericht ist sorgfältig geschrieben, ist juristisch informiert und nennt detaillierte Fakten. Er wirkt also auf Anhieb glaubwürdig. Aber eben: Solange man die Quellen nicht kennt, können Fragen gestellt werden.

Heute wurde auch der US-Geheimdienstkoordinator im Parlament angehört. Er hat verhindert, dass der Bericht dem Kongress übergeben wird. Wie stellt er sich zum Vorwurf?

Maguire sagt, der Fall sei einzigartig, weil er den Präsidenten betreffe. Deshalb habe er sich auch zuerst mit dem Weissen Haus und dem Justizdepartement absprechen müssen. Maguires interner Überprüfer hatte den Bericht zuvor als glaubwürdig und dringend befunden und wollte, dass dieser dem Kongress übergeben wird.

Die Republikaner stellen das Ganze als politisch motivierte Attacke dar. Als Theater, wie es schon in der Russland-Affäre aufgeführt worden sei.

Doch Maguire fand – gemeinsam mit der Trump-Regierung – ein juristisches Schlupfloch. Der Fall zeigt auch auf, dass die Gesetze zum Schutz vom Whistleblowern nicht für Präsidenten geschrieben worden sind.

Das veröffentlichte Whistleblower-Dokument

Der Präsident beteuert, dass er unschuldig sei. Wie reagiert seine Partei – die Republikaner – auf die neuen Details?

Im Geheimdienstausschuss, der Maguire befragt, sitzen auch Republikaner. Sie stellen das Ganze als politisch motivierte Attacke dar. Als Theater, wie es schon in der Russland-Affäre aufgeführt worden sei.

Wie geht es jetzt weiter?

Stimmt die Chronologie im Whistleblower-Bericht, kann ein Amtsmissbrauch ziemlich wasserfest argumentiert werden. Ein Amtsenthebungsverfahren ist allerdings kein juristisches, sondern ein politisches Verfahren. Aber: Je stichhaltiger die Argumente und Informationen, umso mehr kann das Verfahren dem Präsidenten schaden – und auch den Republikanern, die sich vor ihn stellen.

Das Gespräch führte Isabelle Maissen.

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