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US-Wahlen 2020 Der Staatssekretär von Georgia lässt sich nicht beirren

Brad Raffensperger obliegt die Nachzählung in Georgia. Dabei bekommt der Republikaner den Hass seiner Partei zu spüren.

«Georgia on my mind», sang der Jazz-Musiker Ray Charles einst sehnsüchtig. Und sehnsüchtig schauen die Republikaner derzeit auf ihre ehemalige Bastion, die sie bei diesen Präsidentschaftswahlen verloren haben.

Das will die Trump-Kampagne nicht akzeptieren. So machte der Sohn des Präsidenten, Donald Trump Jr., drei Tage nach dem Wahltag in Atlanta klar: Sein Vater werde die Wahlergebnisse bekämpfen – auf den Tod. Das seien sich die Demokraten wohl von den rückgratlosen Republikanern nicht gewohnt. Aber diese Partei sei Vergangenheit, und wer nicht kämpfen wolle, solle sich verdrücken.

Im Schussfeld der Trump-Kampagne

Es war ein Aufruf zur Blutfehde – und ins Schussfeld geriet der republikanische Staatssekretär von Georgia, Brad Raffensperger, der für die Wahlen zuständig ist. Rücktrittsforderungen wurden laut ohne konkrete Begründung: Er habe die Wahlen mangelhaft und intransparent organisiert.

Raffensperger ordnete eine manuelle Nachzählung aller fünf Millionen Stimmen an, wie es die Trump-Kampagne forderte. Aber er stellte auch klar: Er werde sicherstellen, dass das Resultat korrekt sei.

Raffensperger wehrt sich

Das hörte seine Partei offenbar nicht gern. Trump-Loyalisten streuten auf konservativen Fernsehkanälen Gerüchte über offene Wahlurnen, heimliche Auszählungen und mangelnde Kontrolle der Unterschriften auf den Briefwahlzetteln. Verdikt: Die Wahl in Georgia sei chaotisch und Raffensperger dafür verantwortlich. Er verdiene die Wut der Leute.

Der 65-jährige Staatssekretär von Georgia ist eigentlich ein zurückhaltender Mann, der sich im Rampenlicht nicht besonders wohlzufühlen scheint. Als studierter Ingenieur zählt er mit exakt-wissenschaftlichem Sinn die Stimmen nach. Und er wehrt sich gegen die Attacken aus den eigenen Reihen.

Ein Anruf von Senator Graham

Auf Facebook demontiert Raffensperger die einzelnen Wahlbetrugsgerüchte. Den Chef der Trump-Kampagne in Georgia nennt er schlicht einen Lügner. Auf CNN macht er einen heiklen Anruf mit Senator Lindsey Graham publik: Graham habe angedeutet, er solle so viele briefliche Wahlzettel wie möglich für ungültig erklären. Das sei ja auch die Strategie der Gerichtsklagen der Republikaner und der Trump-Kampagne.

Brad Raffensberger spricht von Beschimpfungen und Todesdrohungen gegen ihn und seine Frau: Man wolle immer glauben, die eigene Seite trage die saubere Weste. Aber die Leute seien halt wirklich verärgert und die Kontroverse sei heftig, so der Staatssekretär.

Es gibt das Recht

Auch er werde wahrscheinlich vom Resultat enttäuscht sein, sagt Raffensperger. Auch er habe auf einen republikanischen Sieg gehofft. Aber es gebe eben einen Prozess, der zu befolgen sei, und es gebe das Recht. Integrität sei wichtig.

Bei der Nachzählung, die heute beendet wird, fanden sich keine grösseren Unregelmässigkeiten. Ein republikanischer Bezirk hatte vergessen, rund 3000 Stimmen zu hinterlegen – mit einem Netto-Gewinn von 800 Stimmen für Präsident Trump. Aber das verhilft ihm nicht zu einem Sieg in Georgia.

Echo der Zeit, 18.11.2020, 18:00 Uhr

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