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Ungeliebter US-Präsident Joe Biden startet in einen schwierigen Wahlkampf

Joe Biden ist unbeliebt. Seine Zustimmungswerte sind tief und verharren deutlich unter 40 Prozent. Das grösste Problem des amerikanischen Präsidenten: In einem zentralen Punkt nimmt ihn die Bevölkerung schlechter wahr, als seine Politik tatsächlich ist: bei der Wirtschaft. Mit der wirtschaftlichen Situation wird ein Präsident – ob zu Recht oder zu Unrecht – stets direkt in Verbindung gebracht.

Eigentlich sprechen die Zahlen für Biden. Der US-Wirtschaft geht es gut. Trotz aggressiver Zinspolitik sind die USA nicht in eine Rezession gerutscht, sondern die Inflation ist unter drei Prozent gesunken und es ist immer wahrscheinlicher, dass das angestrebte Ziel einer sogenannten weichen Landung («soft landing») erreicht werden kann.

Abstrakte Zahlen reichen nicht

Auch der Arbeitsmarkt entwickelt sich viel besser als erwartet: Die Arbeitslosenquote liegt schon so lange konstant unter vier Prozent wie zuletzt in den 1960er-Jahren und Monat für Monat werden Hunderttausende neue Arbeitsstellen geschaffen. Viele Menschen, die in Tieflohnsegmenten arbeiten, profitieren zudem seit dem 1. Januar von höheren Mindestlöhnen und besseren Sozialleistungen.

Nur: Ein grosser Teil der Bevölkerung interessiert sich weniger für abstrakte Zahlen, sondern viel mehr dafür, wie teuer das Leben ist. Die Preise für Benzin oder Lebensmittel sind im letzten Jahr zwar wieder deutlich gesunken, doch ist die Kaufkraft nach wie vor geringer als noch vor der Pandemie und den Kriegen in der Ukraine und im Nahen Osten.

Als Wächter der Demokratie in den Wahlkampf

Vielleicht macht Biden aber auch zu wenig Werbung für seine Erfolge in der Wirtschaftspolitik. Bei seiner Rede, die das Wahlkampfjahr 2024 eingeläutet hat, zeigte er sich zwar durchaus angriffig. Den Fokus legte er allerdings darauf, die Demokratie verteidigen zu wollen. Weiter muss sich Biden mehr, als ihm lieb ist, mit Aussenpolitik beschäftigen und er steht vor ungelösten Problemen bei der illegalen Immigration.

Dazu kommt sein Alter, Joe Biden ist 81 Jahre alt, ein Negativfaktor, der schwer wiegt, wenn es um die Beliebtheit geht. Zwar beträgt der Altersunterschied zu Donald Trump nur rund dreieinhalb Jahre, doch Biden wirkt wesentlich älter. Das Alter kann er nicht ändern. Trotzdem könnte gerade die Zeit für Biden arbeiten.

Noch dauert es fast ein Jahr bis zur Präsidentschaftswahl. Die Wirtschaftsaussichten sind gut und Erfahrungswerte zeigen, dass eine gute wirtschaftliche Situation oftmals erst verzögert wahrgenommen wird von der Bevölkerung. Die Kaufkraft bleibt ein wichtiges und für viele ein entscheidendes Wahlargument bei der Präsidentschaftswahl.

Barbara Colpi

USA-Korrespondentin

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Barbara Colpi berichtet seit Juli 2022 als Korrespondentin für Radio SRF und News Digital aus den Vereinigten Staaten. Sie ist seit 2005 bei Radio SRF und begann als Redaktorin in der Sportredaktion, wo sie 2008 die stellvertretende Leitung übernahm. Im Frühling 2016 wechselte die studierte Sozialanthropologin auf den Korrespondentenposten nach Lausanne.

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