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«Trump heizt die Stimmung bewusst auf»
Aus Rendez-vous vom 03.11.2020. Bild: Keystone
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US-Wahlen Casper Selg: «Die US-Medien sind Missionsanstalten geworden»

Sollte das Wahlergebnis in den USA knapp ausfallen, rechnen manche mit gewalttätigen Unruhen im Land. Tatsächlich habe er noch nie eine solch angespannte Ausgangslage erlebt, sagt der langjährige, inzwischen pensionierte USA-Korrespondent von Radio SRF, Casper Selg.

Casper Selg

Casper Selg

Journalist

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Casper Selg war bis zu seiner Pensionierung 2015 für Radio SRF tätig, auch als Mitglied der Chefredaktion. Während fast 20 Jahren moderierte er die Info-Sendung «Echo der Zeit», zwölf Jahre lang war er ihr Leiter. Selg berichtete für Radio SRF (früher DRS) sechsmal über Präsidentenwahlen aus den USA.

SRF News: War die Stimmung in den USA vor Präsidentenwahlen jemals so geladen wie dieses Jahr?

Casper Selg: Daran kann ich mich nicht erinnern. Zwar hat es immer wieder sehr emotionale Momente gegeben. So etwa bei der Abstimmung George W. Bush gegen Al Gore im Jahr 2000. Damals dauerte es fast zwei Monate, bis das Resultat des alles entscheidenden Bundesstaates Florida feststand. Es gab Manipulationsvorwürfe und heftige Emotionen. Doch wir haben damals nie an gewalttätige Auseinandersetzungen, etwa mit Milizen, gedacht.

Trump und Moderatoren.
Legende: Trump bei Fox News. Kritische Fragen muss er hier kaum fürchten. Keystone

Wie erklären Sie sich die jetzige Situation?

Das hat einerseits mit der Rhetorik von Präsident Donald Trump zu tun. Andererseits gibt es aber auch eine Vorgeschichte: Seit Jahrzehnten werden Wahlkämpfe primär von PR-Firmen geführt. Sie inszenieren den Wahlkampf als gegenseitiges Heruntermachen in TV-Wahlspots. Der Meinungsstreit um Sachthemen spielt weniger eine Rolle.

Jetzt kommt zur Tradition des Schlechtmachens ein Präsident hinzu, der die Stimmung zusätzlich aufheizt.

Die PR-Firmen setzen auf Emotionen, weil diese stärker sind als Argumente. Jetzt kommt zu dieser Tradition des Schlechtmachens ein Präsident hinzu, der die Stimmung zusätzlich aufheizt und der es liebt, wenn bei seinem Auftritt die Menge gegen den anderen Kandidaten tobt.

Trump bezweifelt immer wieder, dass es ein sauberes Wahlresultat geben werde. Hat er Recht?

Vermutlich ja – schliesslich versucht er ja selber, mit verschiedensten Methoden Einfluss auf die Wahl zu nehmen. Andererseits sind die Ergebnisse seit vielen Jahren nicht mehr «sauber». Das Wahlsystem ist überholt, weil es auf ein Land zugeschnitten ist, in dem die Resultate aus Oregon in einem dreiwöchigen Ritt nach Philadelphia gebracht werden – und dort gibt es dann eine Convention, welche die Kandidaten auswählt.

In den USA gibt es nicht einmal eine Einwohnerkontrolle, die klarstellen würde, wer wählen darf.

Allerdings ist es grundsätzlich sehr schwierig, in den USA eine saubere Wahl zu organisieren. Es gibt nicht einmal eine Einwohnerkontrolle, die klarstellen würde, wer wählen darf.

Wären Biden oder Trump früher als Kandidaten überhaupt wählbar gewesen?

Trump sicher nicht. Man erinnere sich an Gary Hart 1988: Ihm wurde ein Seitensprung nachgesagt. Das hat gereicht, um seine Politkarriere zu beenden. Vergleicht man das mit Trump und seinen Affären, sexuellen Belästigungen und Schweigegeldzahlungen an Prostituierte, seinen Steuerhinterziehungen: Früher wäre so etwas politisch nicht überlebbar gewesen.

Ich habe Biden schon im Vorwahlkampf 1987 verfolgt – der Mann ist tatsächlich ziemlich alt.

Auch Biden hätte als bald 78-Jähriger früher kaum Chancen gehabt – so schied Bob Dole 1996 als 73-Jähriger aus, weil er zu alt war. Ich habe Biden schon im Vorwahlkampf 1987 verfolgt – der Mann ist also tatsächlich ziemlich alt.

Biden.
Legende: CNN gilt als Biden-freundlicher TV-Newssender. Reuters

Wie müsste das US-Wahlsystem reformiert werden, damit wieder Vertrauen in den Wahlprozess entstehen kann?

Der politische Diskurs müsste versachlicht werden. Das hat sehr viel mit dem Wahlkampf zu tun, aber auch mit den Medien. In den 1980er-Jahren wurde die Fairness-Doktrin für die elektronischen Medien abgeschafft, in der Folge wurden diese immer parteiischer.

Die führenden elektronischen Medien sind nicht mehr Informationsanstalten. Sie sind Missionsanstalten.

Heute sind die führenden elektronischen Medien quasi Missionsanstalten statt Informationsanstalten. Da gäbe es also sehr viel zu tun – wie auch im Internet und den sozialen Medien. Doch wie man das alles versachlichen soll – das ist ein Riesenthema.

Das Gespräch führte Ivana Pribakovic.

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In Dixville Notch steht der Sieger bereits fest
Aus Tagesschau vom 03.11.2020.
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SRF 4 News, Rendez-vous vom 3.11.2020, 12.30 Uhr;

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