Der neue US-Kurs in der Nahostpolitik, wonach die israelischen Siedlungen im Westjordanland nicht gegen das Völkerrecht verstossen, sei vor allem ein Zeichen von US-Präsident Trump an die Evangelikalen in den USA, sagt Politikprofessor Thomas Jäger. Mit dem Entscheid wolle sich Trump deren Stimmen sichern.
SRF News: Wer sind die Evangelikalen in den USA?
Thomas Jäger: Es sind protestantische Christen, grösstenteils Weisse. Sie sind die grösste Religionsgemeinschaft in den USA – knapp 25 Prozent der US-Bürger rechnen sich zu ihnen. Bis zu 80 Prozent der Evangelikalen sind Trump-Anhänger.
Trump konnte die Evangelikalen für sich gewinnen – dabei spielt seine Israel-Politik eine grosse Rolle.
Nicht nur für den amtierenden US-Präsidenten sind sie die wichtigste Wählergruppe, das war auch schon für den letzten republikanischen Präsidenten George W. Bush so. Erstaunlich ist: Bush bezeichnete sich als wiedergeborener Christ, ein Ex-Alkoholiker, der von der Droge wegkam und ein gottesfürchtiges Leben führen wollte. Demgegenüber ist Trump alles andere als gottesfürchtig. Zu Beginn seiner Kampagne 2016 dachte man denn auch, er könne die Evangelikalen nicht für sich gewinnen. Doch das ist ihm gelungen – und dabei spielt seine Israel-Politik eine grosse Rolle.
Wieso halten die Evangelikalen trotz Trumps in vielen Bereichen unchristlichen Verhaltens zu ihm?
Für etwas Unruhe unter den Evangelikalen sorgte Trumps Syrienpolitik. In ihren Augen liess er die Kurden und die Christen in den Kurdengebieten im Stich. Und sie befürchteten, dass er als nächstes Israel im Stich lassen könnte. Denn durch Trumps Politik wurden Iran und die Türkei gestärkt – zwei Länder, die Israel gegenüber sehr kritisch eingestellt sind.
Die beiden Wahlniederlagen in Kentucky und Louisiana waren für Trump eine Warnung.
Für Trump war es deshalb wichtig klarzustellen, dass er fest an der Seite Israels und des rechten israelischen Premiers Benjamin Netanjahus steht. Eine Warnung für Trump waren die beiden Niederlagen von republikanischen Gouverneurskandidaten in Kentucky und Louisiana. Das zeigte, dass er die Evangelikalen vor allem im Süden der USA wieder mobilisieren muss. Deshalb jetzt dieses Zeichen der Unterstützung für Israels Siedlungspolitik.
Ist Trump in dem Fall auf Gedeih und Verderb auf die evangelikalen Wähler angewiesen, wenn er wiedergewählt werden will?
Tatsächlich ist Trumps Wiederwahl ohne die Stimmen der Evangelikalen nicht möglich. Er muss diese Wählergruppe zusammenhalten. Dabei sind sie nicht nur eine grosse Gruppe, sondern sie sind auch dazu motiviert, Trump nochmals vier Jahre ins Weisse Haus zu schicken.
Die Evangelikalen sind sehr gut mobilisierbar und für Trump deshalb unerlässlich.
Diese Tatsache ist umso wichtiger, wenn man weiss, dass die Wahlbeteiligung in den USA eher gering ist und ein Kandidat nur dann eine Chance hat, gewählt zu werden, wenn seine Anhängerinnen und Anhänger auch tatsächlich zur Wahl gehen. Die Evangelikalen sind sehr gut mobilisierbar, sie sind auf die Republikaner eingeschworen und für Trump deshalb unerlässlich.
Das Gespräch führte Romana Costa.