Zum Inhalt springen

Merz, Meloni, Orban und Co. So reagiert Europa auf die Zoll-Einigung mit den USA

Die USA und die EU haben sich geeinigt: Auf die meisten EU-Importe fallen künftig Zölle in der Höhe von 15 Prozent an. Zudem soll Brüssel im grossen Stil Energieträger wie Flüssiggas kaufen sowie mehrere Hundert Milliarden Dollar in den USA investieren. Der Deal sorgt für eine Verschnaufpause – löst aber auch scharfe Kritik aus.

Inhaltsverzeichnis

Box aufklappen Box zuklappen

1. Frankreich spricht von einem «dunklen Tag»

Deutliche Kritik kam aus Paris. Frankreichs Premierminister François Bayrou kommentierte die Einigung als einen «dunklen Tag».

Mann im Anzug hält Rede vor Fahne.
Legende: François Bayrou ist seit Dezember 2024 Premierminister von Frankreich. Keystone/AP Photo/Aurelien Morissard

Das «Bündnis freier Völker», das sich zusammengeschlossen habe, um seine Werte und Interessen zu verteidigen, habe sich zu einer Unterwerfung entschlossen.

2. Italien sieht Einigung «positiv»

Die italienische Ministerpräsidentin Giorgia Meloni bewertet das Erreichen einer Einigung grundsätzlich als «positiv». «Eine Eskalation des Handelsstreits hätten unvorhersehbare und potenziell verheerende Folgen gehabt.»

Frau hält Pressekonferenz vor italienischer Flagge.
Legende: Giorgia Meloni ist seit Oktober 2022 italienische Ministerpräsidentin. REUTERS/Remo Casilli

Sie betonte jedoch, die Details des Abkommens noch nicht «ausreichend» zu kennen.

3. Deutschland steht hinter von der Leyen

Der deutsche Bundeskanzler Friedrich Merz hat die Einigung begrüsst. EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen sei es gelungen, «einen Handelskonflikt abzuwenden». Von stabilen und planbaren Handelsbeziehungen würden alle profitieren – «diesseits wie jenseits des Atlantiks, Unternehmen wie Verbraucher.»

Mann im Anzug spricht neben deutschen und EU-Flaggen.
Legende: Friedrich Merz ist seit dem 6. Mai 2025 der Bundeskanzler Deutschlands. REUTERS/Liesa Johannssen

«In den nun anstehenden Verhandlungen über die Details der Einigung hat die EU-Kommission meine volle Unterstützung», so Merz.

Deutsche Industrie ist besorgt

Box aufklappen Box zuklappen

Der Bundesverband der Deutschen Industrie (BDI) kritisiert die Einigung: «Das Übereinkommen ist ein unzureichender Kompromiss und sendet ein fatales Signal an die eng verflochtene Wirtschaft auf beiden Seiten des Atlantiks», so eine Mitteilung. Die EU nehme schmerzhafte Zölle in Kauf, denn auch ein Satz von 15 Prozent werde immense negative Auswirkungen haben. «Das einzig Positive an dieser Einigung ist, dass eine weitere Eskalationsspirale zunächst abgewendet werden konnte.»

Der Verband der forschenden Pharma-Unternehmen spricht von einem folgenreichen Rückschritt, der mit dem jahrzehntelangen Prinzip des zollfreien Arzneimittelhandels breche. «Dieser Abschluss besiegelt nun Milliardenbelastungen für den Pharma-Standort Deutschland», sagte Präsident Han Steutel. «Das sind keine guten Nachrichten für Jobs und für Investitionen.»

Der deutsche Automobilverband teilte wiederum mit: «Der Zollsatz der USA in Höhe von 15 Prozent auch für automobile Produkte wird die Unternehmen der deutschen Automobilindustrie jährlich Milliarden kosten und belastet sie inmitten der Transformation», so Präsidentin Hildegard Müller. Grundsätzlich sei es zwar gut, dass eine Eskalation im Handelsstreit abgewendet worden sei. Aber: «Die EU ist jetzt umso mehr und dringend aufgefordert, die Rahmenbedingungen in Europa für Investoren wie Unternehmen international wettbewerbsfähig auszugestalten.»

4. Ungarn stellt sich gegen von der Leyen

Die Vereinbarung mit Washington ist gemäss Ungarns Ministerpräsident Viktor Orban schlechter als die Vereinbarung, die Grossbritannien mit den USA getroffen hat. Diese beinhaltet einen allgemeinen Zollsatz von 10 Prozent. «Donald Trump hat Kommissionspräsidentin von der Leyen zum Frühstück verspeist.»

Mann in Anzug hebt Hand hinter Podium mit Mikrofonen.
Legende: Viktor Orbán war von 1998 bis 2002 und ist seit 2010 erneut Ministerpräsident von Ungarn. Keystone/AP Photo/Petr David Josek

«Wir hatten das vermutet, da der US-Präsident bei Verhandlungen ein Schwergewicht ist, während die Frau Präsidentin ein Federgewicht ist», so der EU-kritische Orban.

5. Österreich hofft auf «stabilere Phase»

«Es ist gut, dass die Phase der täglichen neuen Zollankündigungen ein Ende hat», teilte Österreichs Wirtschaftsminister Wolfgang Hattmannsdorfer mit. Er hofft auf eine «stabilere Phase des transatlantischen Handels».

Mann in Blauem Anzug bei Pressekonferenz vor Flaggen.
Legende: Wolfgang Hattmannsdorfer ist seit April 2025 Bundesminister für Wirtschaft, Energie und Tourismus in Österreich. Keystone/APA/HANS KLAUS TECHT

Die Verhandlungen hätten gezeigt, wie wichtig die EU-Einigkeit sei. Es bleibe aber Realität, dass jede Art von Handelseinschränkungen eine Belastung für Jobs, Wohlstand und den Sozialstaat seien. 

6. Spanien unterstütze «ohne Begeisterung»

Der spanische Regierungschef Pedro Sánchez lobte die Bemühungen der EU. «Ich schätze die konstruktive Haltung (...) der Präsidentin.»

Mann im Anzug spricht vor Mikrofonen mit Flaggen im Hintergrund.
Legende: Pedro Sánchez ist seit Juni 2018 Ministerpräsident von Spanien. Keystone/EPA/CHEMA MOYA

Sanchez unterstütze das Abkommen. Aber: Er tue dies «ohne Begeisterung».

7. Finnland will Freihandel

«Das Abkommen bringt die Vorhersehbarkeit, die die Weltwirtschaft (...) dringend benötigt», sagte Petteri Orpo, Finnlands Ministerpräsident.

Mann mit Brille vor farbigen Flaggen.
Legende: Petteri Orpo ist seit 2023 Ministerpräsident von Finnland. Lehtikuva/Roni Rekomaa

«Wir müssen weiter daran arbeiten, Handelsbarrieren abzubauen. Nur der transatlantische Freihandel kommt beiden Seiten voll zugute», so Orpo.

8. Irland will Planungssicherheit

Der irische Aussenminister, Simon Harris, betonte: «Das Abkommen bringt dringend benötigte Sicherheit für irische, europäische und amerikanische Unternehmen, die zusammen die engsten Handelsbeziehungen der Welt unterhalten.»

Mann in Anzug spricht draussen.
Legende: Simon Harris war von April 2024 bis Januar 2025 Regierungschef Irlands und ist seit Januar 2025 Aussenminister. REUTERS/Nathan Howard

Obwohl er den Zollsatz bedauere, sei es wichtig, dass mehr Planungssicherheit erreicht wurde – «was für die Beschäftigung, das Wachstum und Investitionen von entscheidender Bedeutung ist».

Kurzeinschätzung von Deutschland-Korrespondetin Alexandra Gubser

Box aufklappen Box zuklappen

Europa ist eingeknickt, hat sich erpressen lassen. Das Abkommen ist zwar sicher besser als ein offener Handelskrieg. Aber zu welchem Preis? Nicht nur lässt sich Trump diesen doch sehr einseitigen Deal mit Energie- und Rüstungskäufen für Hunderte Milliarden Euro vergolden, Europa hat auch gleich noch ein paar Prinzipien über Bord geworfen: globale Rechtsstaatlichkeit, regelbasierter Welthandel – alles für die Tonne.

Kommissionspräsidentin von der Leyen hatte noch betont, die EU sei der grösste Handelspartner der USA und habe dadurch Gewicht. Jetzt zeigt sich: Die EU ist ein Scheinriese aus 27 Zwergen, von denen erstmal zunächst für die eigene Wirtschaft schaut und sich erst dann vielleicht entscheidet gemeinsam Druck zu machen.

Tagesschau, 28.7.2025, 12:45 Uhr ; 

Meistgelesene Artikel