Der riesige Mähdrescher fährt durch das endlos wirkende Sojafeld. Die Sonne brennt. Staub und Dieselgeruch liegen in der Luft. Der fast zwanzig Meter breite Mähkopf schneidet die reifen Pflanzenstängel knapp über dem Boden ab. Im Inneren der Monstermaschine werden die Sojabohnen von den Hülsen getrennt und in einem trichterförmigen Behälter aufgefangen.
«Diese kleinen Bohnen ernten wir», sagt Suzanne Shirbroun. Sie ist Landwirtin in einem mittelgrossen Familienbetrieb in siebter Generation. In Farmersburg, im Osten des Bundesstaates Iowa, wurde Soja erst vor rund 40 Jahren während der Agrar-Rezession eingeführt
Suzanne Shirbroun erinnert sich: «Ich war noch in der Highschool, als meine Eltern auf dieser Farm mit dem Anbau von Sojabohnen begannen. Sojabohnen waren eine völlig neue Kulturpflanze in dieser Gegend. Mais ist zwar noch immer das Hauptanbauprodukt, doch die Farmer pflanzen auch deshalb gerne Soja, um abwechseln zu können. Das hilft bei der Bekämpfung von Insekten, Krankheiten und Unkraut.»
Die studierte Agronomin war bis vor kurzem Präsidentin des Verbands der Sojafarmer in Iowa. Heute bereitet ihr der Sojaanbau Sorgen. Sie müsse die Bohnen unter dem Produktionspreis verkaufen, sagt sie.
China boykottiert Soja aus den USA
Ein Überangebot sorgte für einen Preiszerfall. Dies ist in erster Linie darauf zurückzuführen, dass China, der grösste Sojaverbraucher der Welt, seit Monaten kaum noch Sojabohnen aus den USA kauft. China deckt sich inzwischen in Argentinien und Brasilien ein. Zuvor exportierten die USA über die Hälfte ihrer Produktion nach China. Hintergrund ist der Zollstreit.
Suzanne Shirbroun hat stets Donald Trump gewählt, doch allmählich verliert sie die Geduld mit dem US-Präsidenten: «Wir brauchen ein Abkommen mit China, und zwar sofort.» Bereits in der ersten Amtszeit von Donald Trump gerieten Sojaproduzentinnen wie Suzanne Shirbroun unter Druck, bis ein Handelsabkommen unterzeichnet wurde, das die Sojaexporte nach China regelte. Zur Überbrückung hatte die Regierung die Farmer finanziell unterstützt. Ähnliches hat Trump nun erneut in Aussicht gestellt.
Meine grosse Sorge ist diese Unbeständigkeit.
Doch das sei nicht, was die Farmer wollten: «Hilfszahlungen sind nur ein Pflaster für eine sehr grosse Wunde. Doch wir brauchen Stabilität – bei den Märkten und beim Absatz», sagt Suzanne Shirbroun. «Meine grosse Sorge ist diese Unbeständigkeit. Auch für andere Länder, die auf unsere Produkte angewiesen sind, sollten die USA ein verlässlicher Partner sein. Diese Länder wollen genauso Stabilität wie die US-Farmerinnen und Farmer.» Suzanne Shirbroun will klare Antworten von der Politik.
Demokraten hoffen auf Umschwung bei den Midterms
Etwa zehn Autominuten vom Hof entfernt empfängt uns Brian Bruening in seinem Restaurant «Scheras». Seit zwanzig Jahren serviert er gemeinsam mit seinem Partner algerische und amerikanische Spezialitäten.
Wenn er nicht gerade am Herd steht, engagiert er sich politisch. Brian Bruening ist Präsident der lokalen Sektion der Demokratischen Partei und war auch schon Senatskandidat für Iowa.
Ich glaube nicht, dass die Landwirtinnen und Landwirte ihre Sichtweise grundlegend ändern werden.
Er ist allerdings skeptisch und zweifelt, dass der Unmut der Farmer ausreichen wird, um seinen Wahlkreis wieder für die Demokraten zu gewinnen, wie es zu Zeiten von Präsident Obama der Fall war: «Ich glaube nicht, dass die Landwirtinnen und Landwirte ihre Sichtweise grundlegend ändern werden. Trump sagt so viel, dass es einfach ist, die eigenen Erwartungen und Hoffnungen hineinzuprojizieren und etwas herauszupicken, das Sinn ergibt.»
Dennoch gibt Brian Bruening die Hoffnung nicht auf, dass die Demokraten bei den Zwischenwahlen in einem Jahr, den Republikanern den Kongresssitz abjagen. Der Kampf werde jedoch nicht über die Sojabohnen, sondern über die Krankenversicherung geführt werden, ist er überzeugt: «Es besteht die reale Gefahr, dass die Mehrheit der kleinen Unternehmen hier ihre Angestellten nicht mehr krankenversichern kann, weil die Prämien um 100 oder sogar 200 Prozent steigen werden. Genau hier müssen wir als Demokratische Partei ansetzen.» Trotzdem dürfe man nicht vergessen, dass das ländliche Iowa eine sehr konservative Gegend sei.
Republikanische Abgeordnete verteidigt Trumps Politik
Weiter geht die Fahrt über die Landstrasse in die Peripherie von Cedar Rapids, der zweitgrössten Stadt Iowas, zum Treffen mit Cindy Goulding.
Die republikanische Farmerin ist Abgeordnete im Parlament von Iowa und eine glühende Trump-Anhängerin. Der Präsident habe noch immer dafür gesorgt, dass es den Farmen gut gehe, sagt sie, und sie vertraue auf sein hervorragendes Verhandlungsgeschick, von dem die USA profitieren würden.
Dass der Unmut über die aktuelle Situation der republikanischen Basis schaden werde, glaubt Cindy Goulding nicht und schiebt die Schuld den Farmerinnen und Farmern zu, die sich zu sehr vom Exportmarkt abhängig gemacht hätten. «Ich ermutige alle, zu diversifizieren und nicht nur Soja und Mais, sondern auch Kürbisse oder Rhabarber anzubauen, und weitsichtiger zu denken.» Sonst würden viele tatsächlich nicht überleben, räumt Cindy Goulding ein.
Hat uns Trump vergessen?
Zurück bei Suzanne Shirbroun auf ihrem Hof. Sie will wissen, was die Politikerinnen und Politiker gesagt haben. Diversifizieren sei nicht so einfach, sagt sie, denn viele Investitionen, etwa in Maschinen, seien getätigt. Natürlich denke sie weitsichtig. Bereits jetzt, vor Ende der Ernte, plane sie, was sie im nächsten Frühling anbauen werde. Voraussichtlich werde sie die Anbauflächen für Sojabohnen reduzieren.
Wie viele Hektaren Ackerland sie bebaut, will Suzanne nicht sagen, doch wenn man keinen Profit mache, könne man nicht anbauen. «An manchen Tagen habe ich das Gefühl, von Präsident Trump vergessen und im Stich gelassen worden zu sein», seufzt Suzanne Shirbroun, doch aufgeben sei keine Option. Ihr Sohn André soll den Betrieb einmal in achter Generation übernehmen.