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Valencia nach dem Hochwasser Häuser im Risikogebiet: Experte kritisiert planlosen Wiederaufbau

Vor einem Jahr trafen Überschwemmungen die Region Valencia hart. Lehren daraus gezogen haben die Behörden nur zum Teil.

Am 29. Oktober 2024 fiel in der Region Valencia so viel Regen, wie nie zuvor in Spanien gemessen worden war. Bis zu 185 Millimeter innerhalb einer Stunde. 229 Menschen verloren in den Fluten ihr Leben. Die Schäden waren enorm, Häuser wurden weggespült, Strassen fortgerissen, Felder verwüstet.

Der Wiederaufbau läuft. Ein Teil der Strassen und Häuser sei repariert worden, weiss Sergio Palencia. Der Professor für Städtebau von der Universität Valencia besucht die damals überschwemmten Gebiete regelmässig und berät betroffene Städte.

Nicht alles aber laufe so, wie es seiner Ansicht nach sollte, sagt Palencia. Die Regionalregierung erlaube es auch in Gefahrengebieten, wieder neue Häuser aufzubauen. Das sei ein Fehler: «In stark gefährdeten Gebieten müsste man im Gegenteil sogar Häuser entfernen.»

Späte Alarmierung

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Ein Graffiti im Katastrophengebiet, das daran erinnert, dass der Alarm auf den Handys erst um 20:11 Uhr ausgelöst wurde.
Legende: Ein Graffiti im Katastrophengebiet, das daran erinnert, dass der Alarm auf den Handys erst um 20:11 Uhr ausgelöst wurde: «Wir vergessen und vergeben nicht.» Keystone/EPA/Kai Forsterling

Die hohe Zahl der Opfer, welche die Überschwemmungen forderten, sei nicht in erster Linie eine Folge der extremen Wassermenge gewesen, sagt der Klimatologe Jorge Olcina von der Universität Alicante. Sondern davon, dass das Alarmsystem zu langsam aktiviert worden sei. «Der Katastrophenalarm auf die Handys hat die Bevölkerung erst nach zehn Stunden erreicht. Hier haben die Behörden versagt.»

Das habe sich inzwischen klar verbessert. Diesen Herbst habe es bereits dreimal Alarmstufe rot gegeben: «Die Bevölkerung ist jeweils innerhalb von einer bis eineinhalb Stunden informiert worden.»

Der Städtebauexperte Palencia weist aber auch darauf hin, dass das Problem historische Gründe habe. «Die Bauten in den Risikogebieten wurden grösstenteils vor 2003 errichtet, also bevor es Gefahrenkarten gab.»

Es seien so viele, dass dies nicht mehr rückgängig zu machen sei: «Man kann nicht einfach 400'000 Menschen umsiedeln. Das ist unmöglich.»

Wir haben ein Jahr verloren.
Autor: Sergio Palencia Professor für Städtebau, Universität Valencia

Man könne aber die bestehenden Städte besser schützen. Palencia sieht verschiedene Massnahmen: «Zum Beispiel die Häuser verstärken oder die Städte grüner machen, damit das Wasser besser versickert. Oder auch Dämme bauen, die das Wasser umleiten.»

Es brauche eine Kombination von verschiedenen Massnahmen und eine langfristige Planung, um der Bevölkerung Schutz zu bieten. Leider aber habe sich in diesem Bereich aber kaum etwas getan: «Wir haben ein Jahr verloren.»

Regierung in der Kritik

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Protest- und Gedenkaktion in Valencia zum Jahrestag
Legende: Protest- und Gedenkaktion in Valencia zum Jahrestag: ein Mann mit einer Maske des Regionalpräsidenten. Keystone/EPA/Biel Alino

Wegen der Hochwasserkatastrophe stand und steht die Regionalregierung der Autonomen Gemeinschaft Valencia unter heftiger Kritik: Warnungen über die Handys seien zu spät erfolgt und Evakuierungen zu zögerlich organisiert worden, lauten die zentralen Vorwürfe.

Im vergangenen Jahr gingen immer wieder Tausende Menschen auf die Strassen und forderten den Rücktritt des Regionalpräsidenten Carlos Mazón vom konservativen Partido Popular. Das Verhalten der Regierung während der Katastrophe wird auch gerichtlich untersucht.

Eines der Hauptprobleme ortet Sergio Palencia in der zerstrittenen Politik. Tatsächlich sind sich die linke nationale Regierung unter Pedro Sánchez und die konservative Regionalregierung von Carlos Mazón spinnefeind. «Die beiden Lager sind ständig im Streit, kritisieren und beschuldigen sich, anstatt zusammen die Region wieder aufzubauen.»

Die fehlende langfristige Planung stimmt auch den Klimatologen Jorge Olcina nachdenklich. Beim Unwetter vom Herbst 2024 handelte es sich nämlich um eine «Dana» (Abkürzung für «Depresión Aislada en Niveles Altos» – zu Deutsch Kaltlufttropfen oder isoliertes Höhentief). Dieses meteorologische Phänomen entsteht, wenn eine isolierte, sehr kalte Luftmasse in der Höhe auf warme, feuchte Luft in Bodennähe trifft.

Die Mittelmeerregion sei dafür besonders anfällig, sagt Jorge Olcina. «Mit der weiteren Erwärmung des Mittelmeers wird es in den nächsten Jahrzehnten immer häufiger zu solchen Starkniederschlägen und Extremwetterlagen kommen.» Das Rekordhochwasser von 2024 dürfte also nicht das letzte gewesen sein.

Echo der Zeit, 29.10.2025, 18 Uhr; noes

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