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Verbotene Neonazi-Gruppe «Combat 18 versteht sich als Elite, die im Hintergrund agiert»

Das Verbot der rechtsextremen Vereinigung «Combat 18» sei im Grunde überfällig gewesen, sagt ARD-Rechtsextremismus-Experte Patrick Gensing. Der deutsche Staat wolle jetzt signalisieren, dass er etwas gegen den militanten Rechtsextremismus tue.

Patrick Gensing

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Der Journalist Patrick Gensing ist bei der ARD Spezialist für Rechtsextremismus. Er leitet den «Faktenfinder» der Sendung «Tagesschau» und ist bei dieser auch für das Ressort «Investigativ» verantwortlich.

SRF News: Um was für eine Gruppe handelt es sich bei «Combat 18»?

Patrick Gensing: Es ist eine Vereinigung von Neonazis, die in Deutschland zwischen 20 und 50 Mitglieder umfasst. Sie versteht sich als bewaffneter Arm des Rechtsextremen-Netzwerks «Blood & Honour», das in Deutschland seit dem Jahr 2000 verboten ist.

Rechtsrock-Festivals spielen für internationale Treffen von Neonazis eine wichtige Rolle.

«Combat 18» ist vor allem auch in Grossbritannien und Skandinavien aktiv. Der Gruppenname bezieht sich auf Adolf Hitler, indem er den 1. und den 8. Buchstaben des Alphabets enthält: A.H.. Die als Neonazis bekannten Mitglieder der Truppe organisieren auch Rechtsrock-Konzerte, um so Geld zu akquirieren. Diese Festivals spielen für internationale Treffen von Neonazis eine wichtige Rolle.

Welche Bedeutung hat «Combat 18» in Deutschland?

Sie versteht sich als eine Art Elite, die im Hintergrund agiert. Sie sorgt dafür, dass die militanten Neonazis international vernetzt sind und schafft Geld an. Dabei geht es auch um Rechtsterror, indem «Combat 18» das Prinzip des führerlosen Widerstands propagiert und verfolgt. Die Organisation hat keine festen Strukturen und besteht nicht aus grösseren Gruppen – viel eher sollen einzelne Täter zuschlagen, die sich nicht auf die Gruppe zurückverfolgen lassen.

Was bringt ein Verbot dieser kleinen, dezentral und im Verborgenen agierenden Truppe?

Diese Frage wird jetzt in Deutschland breit diskutiert. Ein Verbot war eigentlich schon lange erwartet worden. Linke und grüne Regierungskritiker sagen, das Verbot bringe jetzt auch nicht mehr viel. Innenminister Horst Seehofer dagegen spricht von einem schweren Schlag gegen den organisierten Rechtsextremismus.

Ob das Verbot etwas bringt, wird sich erst noch zeigen.

Künftig ist es verboten, die Abzeichen von «Combat 18» zu zeigen, was es schwieriger machen wird, Rechtsrock-Konzerte zu organisieren. Ob das Verbot aber wirklich etwas bringt, wird sich zeigen, wenn man das bei den Razzien allenfalls beschlagnahmte Material gesichtet hat.

Warum haben die deutschen Behörden so lange gewartet, um «Combat 18» zu verbieten?

Es ist nicht ganz einfach, ein solches Verbot so zu gestalten, dass es vor Gericht standhält. Dass das Verbot gerade jetzt kommt, hat aber auch mit den rechtsextremen Bedrohungen und dem Mord am Regionalpolitiker Walter Lübcke zu tun. Der Staat will zeigen, dass er etwas gegen den organisierten Rechtsextremismus und militante Neonazis tut.

Das Gespräch führte Christina Scheidegger.

Der Mord an Walter Lübke

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Der damalige Regierungspräsident von Kassel, Walter Lübcke (CDU), wurde am 2. Juni 2019 auf der Terrasse seines Hauses im nordhessischen Wolfhagen-Istha mit einem Kopfschuss ermordet. Lübcke hatte sich unter anderem für eine Flüchtlingsunterkunft eingesetzt und die umstrittene Flüchtlingspolitik von Bundeskanzlerin Angela Merkel verteidigt. Derzeit sitzen der mutmassliche Täter E. – ein bekannter Rechtsextremist – sowie der mutmassliche Komplize H. in Haft. Ein zuvor gemachtes Geständnis hat E. zwar inzwischen widerrufen, doch seine DNA war an der Kleidung des ermordeten CDU-Politikers gefunden worden, auch führte er die Polizei zur Tatwaffe. Inzwischen macht er H. für die Tat verantwortlich. Bekannt ist auch, dass E. Verbindungen zur AfD hatte. So unterstützte er diese mindestens einmal mit einem Geldbetrag in Höhe von 150 Euro, zudem half er mindestens einmal bei einer Plakatier-Aktion der rechtspopulistischen Partei mit. Kontakte zu «Combat 18» wurden bislang keine nachgewiesen.

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