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Verfahren in Deutschland Kann der Prozess die Reichsbürger entscheidend schwächen?

Eine Gruppe von sogenannten Reichsbürgerinnen und Reichsbürgern soll den gewaltsamen Sturz der deutschen Bundesregierung und einen Sturm auf das deutsche Parlament geplant haben. Am Dienstag startete am Oberlandesgericht Frankfurt der Prozess gegen neun Personen. Sie gelten als Rädelsführer des geplanten Umsturzes – Hauptfigur ist der deutsche Adels-Spross Heinrich XIII. Prinz Reuss, ein 72-jähriger Immobilienmakler. Einschätzungen von Politikwissenschafter Jan Rathje.

Jan Rathje

Politikwissenschaftler und Extremismusforscher

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Jan Rathje ist Politikwissenschaftler und forscht am Center für Monitoring, Analyse und Strategie (CeMAS) in Berlin. Er studierte in Potsdam und Greifswald mit den Schwerpunkten Rechtsextremismus und Politische Theorie. Von 2013 bis 2014 war er in der mobilen Beratung gegen Rechtsextremismus in Schleswig-Holstein tätig. Zwischen 2015 und 2020 leitete er mehrere Projekte zu Verschwörungsideologien und Antisemitismus für die Amadeu Antonio Stiftung.

CeMAS

SRF News: Wie weit waren die Umsturzpläne gediehen?

Jan Rathje: Bekannt ist, dass Mitglieder bereits den Bundestag ausgekundschaftet haben sollen. Dies durch Verbindungen über ein anderes mutmassliches Mitglied, die damalige AfD-Bundestagsabgeordnete Birgit Malsack-Winkemann. Zudem soll die Gruppe massive Bestände an Waffen und Munition, aber auch andere militärische Ausrüstung gehortet und ein Schiesstraining durchgeführt haben.

Wer sind die Reichsbürger?

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Die sogenannten Reichsbürger in Deutschland behaupten, dass das Deutsche Reich (1871–1945) weiter existiere. Die Bundesrepublik und ihre Gesetze erkennen sie nicht an.

Was für Leute sind diese neun Angeklagten?

Die Gruppe vermochte es, die unterschiedlichsten Milieus zu vereinen und sich stark zu professionalisieren. Zum einen haben wir einen Kern aus Personen, die sich im Rahmen der Querdenker-Proteste radikalisiert haben, andererseits aber auch Personen, die vorher schon durch offen rechtsextreme Äusserungen aufgefallen sind. Diese Personen haben nicht nur Zivilpersonen rekrutieren wollen, sondern auch stark darauf gesetzt, Soldatinnen und Veteranen oder auch Polizeikräfte für die eigenen Belange zu gewinnen.

Besonders bedenklich: Auch Mitglieder der deutschen Eliteeinheit der Bundeswehr sollen beteiligt gewesen sein.

Besonders bedenklich ist, dass Mitglieder der deutschen Eliteeinheit, dem Kommando Spezialkräfte der Bundeswehr, beteiligt gewesen sein sollen. Geeint hat sie die Vorstellung, dass die Bundesrepublik Deutschland Teil sei einer bösen Verschwörung mit dem Ziel, in letzter Instanz das deutsche Volk oder Bevölkerungsteile auszulöschen. Dagegen wollten sie sich mit einer Gegenverschwörung wehren, so zumindest die Anklage.

In Deutschland soll es schätzungsweise mehr als 20'000 Reichsbürgerinnen und Reichsbürger geben. Reden wir bei dieser einen Gruppe also nur über die Spitze des Eisbergs?

In gewisser Weise. Aktuellere Zahlen der Innenbehörde des Bundes legen nahe, dass 23'000 Personen Mitglieder innerhalb dieses Reichsbürgermilieu sein sollen. Die Dunkelziffer ist noch wesentlich höher, wie sich an den Abozahlen einschlägiger Telegram-Kanäle ablesen lässt.

23'000 Personen dürften laut Zahlen des Bundes Mitglieder des Reichsbürgermilieu sein. Die Dunkelziffer ist noch wesentlich höher.

Laut einer Studie der Konrad-Adenauer-Stiftung kommen Reichsbürger-Thesen in der deutschen Bevölkerung auf 5 Prozent. Nicht alle müssen zur Waffe greifen oder sich den Handlungsempfehlungen des Reichsbürger-Milieus hingeben. Aber sie können entsprechenden Gruppen über andere Mittel und Wege Ressourcen zukommen lassen.

Mammut-Prozess gegen «Reichsbürger» in drei Verfahren

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Die Gerichtsprozesse dürften zu den grössten Terrorverfahren gehören, die es in Deutschland je gegeben hat. Deshalb hat die zuständige Generalbundesanwaltschaft die Verfahren gegen die Gruppe in drei einzelne Prozesse aufgeteilt.

Ende April startete in Stuttgart der erste Prozess gegen den «militärischen Arm» der Gruppierung. In Frankfurt stehen seit Dienstag die mutmasslichen Rädelsführer vor Gericht. Ab dem 18. Juni werden sich beim dritten Prozess in München die übrigen mutmasslichen Mitglieder vor Gericht verantworten müssen.

Kann dieser Prozess die Organisation entscheidend schwächen?

Bei der Gruppe handelt es sich nur um die aktuelle Ausformung. Es wäre interessant zu sehen, inwiefern andere Netzwerke aktiv gewesen sind. Aus dem aktuellen Ermittlungsverfahren und einem früheren gegen eine andere mutmassliche Gruppe weiss man, dass alleine während der Corona-Pandemie schon zwei Reichsbürgergruppen versucht haben, einen Umsturz zu planen.

Aus Ermittlungsverfahren weiss man, dass alleine während der Corona-Pandemie zwei Reichsbürgergruppen versucht haben, einen Umsturz zu planen.

Es ist auch noch nicht ganz klar, wie viele andere Personen solche Pläne nun vielleicht noch wesentlich klandestiner umzusetzen versuchen. Dass man versucht, gegenseitig Mitglieder abzuwerben, deutet auf ein gehöriges Potenzial im Reichsbürger-Milieu hin. Solange diese Ideologie nicht wirkungsvoll bekämpft wird, gibt es dieses Potenzial auch weiterhin.

Das Gespräch führte Brigitte Kramer.

Echo der Zeit, 21.05.2024, 18:00 Uhr ; 

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