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Waldbrände in Griechenland: Der Schock sitzt tief
Aus Echo der Zeit vom 13.09.2021. Bild: Reuters
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Verheerende Waldbrände Wie Phönix aus der Asche? Griechenland nach dem Feuerinferno

Im August wurden 120‘000 Hektar Wald in Griechenland Opfer der Flammen. Ein Augenschein im Norden von Athen.

Die 92-jährige Anna Moraitou steht vor ihrem verbrannten Haus in Varibobi, 25 Kilometer von der Athener Innenstadt entfernt. Ein Wohn- und Schlafraum, eine kleine Küche, ein Badezimmer. 70 Quadratmeter war ihr Haus gross. Heute stehen nur noch die Wände. Dach, Fenster, Türen, alle Möbel und Gegenstände der alten Frau hat das Feuer zerstört. Sie kann es immer noch nicht fassen:

Ich habe 60 Jahre lang hier gelebt. Ich dachte, mein Haus wird das Ganze unversehrt überstehen. Abends stehe ich auf und will rein gehen, will was aus der Schublade holen. Dann sage ich: Wo gehst du hin? Ich hatte hier meine Hühner, meine Katzen, meine Hunde. Das Feuer hat fast alle Tiere getötet.
Autor: Anna Moraitou Bewohnerin von Varibobi

Wie jeden Tag bringt ihr ihre Nichte Maria Karkaletsi warmes Essen. Heute sind es grüne Bohnen mit Kartoffeln. Die 43-Jährige wohnt mit ihrer Familie nur zwei Kilometer entfernt. Einen Monat nach den Bränden in Varibobi sitzt auch bei ihr der Schock noch tief.

Abgebranntes Haus
Legende: «Ich will erstmal ein Dach. Damit mein Haus wieder dicht ist. Und danach sehen wir weiter», sagt Anna Moraitou. Rodothea Seralidou

«So etwas haben wir bisher noch nie erlebt. Uns erreichte die SMS vom Zivilschutz mit der Aufforderung, unsere Häuser zu verlassen, wir haben alles liegen gelassen und sahen dann aus der Ferne die Flammenfront. Wir hatten Glück, unserem Haus ist nichts passiert.  Wir versuchen jetzt, das Haus meiner Tante wieder aufzubauen. Sie gibt nicht auf. Sie ist eine Kämpferin. Und wir werden es wieder aufbauen – so schnell wie möglich.»

Die betroffene Frau und ihre Nichte sitzen für ein Foto zusammen auf dem Klappbett.
Legende: Nie wieder wollen sie ein ähnliches Feuer erleben, sagen die 92-jährige Anna Moraitou (rechts) und ihre Nichte Maria Karkaletzi. Sie wollen jetzt die staatliche Geldhilfe nutzen, die die alte Frau beantragt hat, damit sie nicht mehr vor, sondern wieder in ihrem Haus wohnen kann: Rodothea Seralidou

Eigentlich könnte Anna Moraitou vorübergehend ins Hotel ziehen – auf Kosten des Staates – oder auch zu ihrer Nichte. Doch sie will ihr Zuhause nicht verlassen. Sie schläft lieber auf einem Klappbett vor den Ruinen ihres Hauses oder, wenn die Nacht kalt ist, in einem Wohncontainer, den ihr die Stadt dank einer Spende zur Verfügung gestellt hat.

Spyros Vrettos ist der Bürgermeister von Acharnes, der Gemeinde, zu der auch Varibobi gehört. An seiner Bürowand hängt der Stadtplan der Region. Der Bürgermeister zeigt auf die betroffenen Regionen: «Die Regionen, wo der Brand gewütet hat, befinden sich hier, im nordöstlichen Teil unserer Stadt. Das sind die Orte Varibobi und Thrakomakedones. Die schönsten Orte unserer Gemeinde. Mit ihren Wäldern, ihren Grünflächen. Die Brände haben allein in unserer Stadt 8400 Hektar Pinienwald und 120 Häuser zerstört, von denen 70 komplett abgebrannt sind, weitere 50 wurden beschädigt.»

Regierung in Athen verspricht Hilfe

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Die Regierung habe den Betroffenen unbürokratische Geldhilfen versprochen, sagt Vrettos. Für unbewohnbare Häuser zwischen 12‘000 und 20‘000 Euro. Je nachdem, wie gross der Schaden sei. Die ersten Bewohnerinnen und Bewohner von Varibobi hätten die Summen schon ausgezahlt bekommen. Und es sollen weitere Hilfen folgen.

«Es wurde eine Online-Plattform ins Leben gerufen, da konnten sich die Betroffenen eintragen. Und wir als Stadt haben 140‘000 Euro bekommen; weitere 800‘000 Euro wurden bewilligt, für Säuberungsarbeiten und Reparaturen, für die Strassenbeleuchtung und all die Schäden, die wir hatten.»

Den grössten Schaden hatten aber die Waldflächen Griechenlands, und der sei nicht so leicht zu beheben, sagt Efthymis Lekkas, Professor für Katastrophenmanagement an der Universität Athen. Insgesamt seien 120‘000 Hektar Wald zerstört worden.

Verkohlte Bäume
Legende: Lekkas erklärt, welche Folgen die Brände für die Umwelt haben: «Der Schutz, den die Bäume normalerweise dem Boden und den Tieren des Waldes bieten, ist nicht mehr da. Die Brände wirken sich auch auf das Mikroklima der Region aus, wir werden noch extremere Temperaturschwankungen haben, und wir müssen mit Flutphänomenen rechnen.» Rodothea Seralidou

Nun müsse man dringend am Hochwasserschutz arbeiten, sagt der Hochschulprofessor – auch in der Region Varibobi im Norden Athens. Diese Gefahr sei ihm durchaus bewusst und mache ihm auch grosse Sorgen, sagt der zuständige Bürgermeister Vrettos. Die Flussbetten würden nun von Baumstämmen und anderen Gegenständen gesäubert.

Nun drohen neue Gefahren

Doch weitere Präventionsmassnahmen könne man nicht von heute auf morgen ergreifen, sagt er: «Das dauert sogar im Eilverfahren drei bis vier Monate. Dafür braucht es eine detaillierte Studie, das Projekt muss ausgeschrieben werden, es muss ein Unternehmen beauftragt werden. Das müssen Experten machen, die genau wissen, wie der Hochwasserschutz aussehen muss, wo die Barrieren angelegt werden sollen, wie hoch sie sein müssen.»

Bürgermeister Vrettos
Legende: Zuständig für diese Arbeiten sei nicht die Stadt, sondern die Präfektur, betont Bürgermeister Vrettos. Zumindest seien die Waldbrände ein Anlass, dass Griechenland in dem Bereich Versäumnisse vieler Jahre aufhole und den Hochwasserschutz ausbaue, sagt er. Rodothea Seralidou

Um Naturkatastrophen effizienter bewältigen zu können, hat die griechische Regierung nun ein eigenständiges Ministerium für Zivilschutz ins Leben gerufen und als Minister den Ex-EU-Kommissar für Katastrophenmanagement Christos Stylianidis ernannt. Zusätzlich will sie 3500 Feuerwehrleute einstellen und 500 Waldspezialisten, die in Zukunft bei Waldbränden eingesetzt werden sollen.

Echo der Zeit, 13.09.2021, 18 Uhr

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