Die 92-jährige Anna Moraitou steht vor ihrem verbrannten Haus in Varibobi, 25 Kilometer von der Athener Innenstadt entfernt. Ein Wohn- und Schlafraum, eine kleine Küche, ein Badezimmer. 70 Quadratmeter war ihr Haus gross. Heute stehen nur noch die Wände. Dach, Fenster, Türen, alle Möbel und Gegenstände der alten Frau hat das Feuer zerstört. Sie kann es immer noch nicht fassen:
Ich habe 60 Jahre lang hier gelebt. Ich dachte, mein Haus wird das Ganze unversehrt überstehen. Abends stehe ich auf und will rein gehen, will was aus der Schublade holen. Dann sage ich: Wo gehst du hin? Ich hatte hier meine Hühner, meine Katzen, meine Hunde. Das Feuer hat fast alle Tiere getötet.
Wie jeden Tag bringt ihr ihre Nichte Maria Karkaletsi warmes Essen. Heute sind es grüne Bohnen mit Kartoffeln. Die 43-Jährige wohnt mit ihrer Familie nur zwei Kilometer entfernt. Einen Monat nach den Bränden in Varibobi sitzt auch bei ihr der Schock noch tief.
«So etwas haben wir bisher noch nie erlebt. Uns erreichte die SMS vom Zivilschutz mit der Aufforderung, unsere Häuser zu verlassen, wir haben alles liegen gelassen und sahen dann aus der Ferne die Flammenfront. Wir hatten Glück, unserem Haus ist nichts passiert. Wir versuchen jetzt, das Haus meiner Tante wieder aufzubauen. Sie gibt nicht auf. Sie ist eine Kämpferin. Und wir werden es wieder aufbauen – so schnell wie möglich.»
Eigentlich könnte Anna Moraitou vorübergehend ins Hotel ziehen – auf Kosten des Staates – oder auch zu ihrer Nichte. Doch sie will ihr Zuhause nicht verlassen. Sie schläft lieber auf einem Klappbett vor den Ruinen ihres Hauses oder, wenn die Nacht kalt ist, in einem Wohncontainer, den ihr die Stadt dank einer Spende zur Verfügung gestellt hat.
Spyros Vrettos ist der Bürgermeister von Acharnes, der Gemeinde, zu der auch Varibobi gehört. An seiner Bürowand hängt der Stadtplan der Region. Der Bürgermeister zeigt auf die betroffenen Regionen: «Die Regionen, wo der Brand gewütet hat, befinden sich hier, im nordöstlichen Teil unserer Stadt. Das sind die Orte Varibobi und Thrakomakedones. Die schönsten Orte unserer Gemeinde. Mit ihren Wäldern, ihren Grünflächen. Die Brände haben allein in unserer Stadt 8400 Hektar Pinienwald und 120 Häuser zerstört, von denen 70 komplett abgebrannt sind, weitere 50 wurden beschädigt.»
Den grössten Schaden hatten aber die Waldflächen Griechenlands, und der sei nicht so leicht zu beheben, sagt Efthymis Lekkas, Professor für Katastrophenmanagement an der Universität Athen. Insgesamt seien 120‘000 Hektar Wald zerstört worden.
Nun müsse man dringend am Hochwasserschutz arbeiten, sagt der Hochschulprofessor – auch in der Region Varibobi im Norden Athens. Diese Gefahr sei ihm durchaus bewusst und mache ihm auch grosse Sorgen, sagt der zuständige Bürgermeister Vrettos. Die Flussbetten würden nun von Baumstämmen und anderen Gegenständen gesäubert.
Nun drohen neue Gefahren
Doch weitere Präventionsmassnahmen könne man nicht von heute auf morgen ergreifen, sagt er: «Das dauert sogar im Eilverfahren drei bis vier Monate. Dafür braucht es eine detaillierte Studie, das Projekt muss ausgeschrieben werden, es muss ein Unternehmen beauftragt werden. Das müssen Experten machen, die genau wissen, wie der Hochwasserschutz aussehen muss, wo die Barrieren angelegt werden sollen, wie hoch sie sein müssen.»
Um Naturkatastrophen effizienter bewältigen zu können, hat die griechische Regierung nun ein eigenständiges Ministerium für Zivilschutz ins Leben gerufen und als Minister den Ex-EU-Kommissar für Katastrophenmanagement Christos Stylianidis ernannt. Zusätzlich will sie 3500 Feuerwehrleute einstellen und 500 Waldspezialisten, die in Zukunft bei Waldbränden eingesetzt werden sollen.