Ein Dokumentarfilm über Kolyma, eine Region im äussersten Nordosten Russlands, hat aus Juri Dud ein mediales Schwergewicht gemacht. Inzwischen ist Dud eine Stimme, auf die in Russland gehört wird.
Kolyma ist nicht nur abgelegen und eisig kalt. Die Gegend ist vor allem für ihre düstere Geschichte bekannt: Sowjetdiktator Josef Stalin errichtete hier ein ganzes Netz von Straflagern, den sogenannten Gulag.
Zweitausend Kilometer fährt Juri Dud für den Film mit einem Kamerateam durch die Gulag-Region Kolyma. Er besucht verfallene Arbeitslager, trifft Historiker, Nachfahren von Gefangenen, einfache Leute.
Besuch in der «Heimat der Angst»
«Ich habe diese Reise unternommen, weil es hier nicht um unsere Vergangenheit geht. Es geht um unsere Gegenwart», sagt Dud in dem Film. Kolyma sei die «Heimat unserer Angst». Was er damit meint: Kolyma ist ein Symbol für die panische Angst vieler Russinnen und Russen vor dem Staat. Eine Angst, die den Menschen bis heute im Nacken sitzt.
Fast 19 Millionen Mal wurde Duds Film bislang angeklickt. Ein Grosserfolg, wenn man bedenkt, dass er ihn nur auf der Internet-Plattform Youtube veröffentlicht hat. Davor war der heute 33-Jährige Dud vor allem als Interviewer bekannt.
Juri Duds Film bei Youtube
Journalist ohne Berührungsängste
Dud befragt für seinen Online-Kanal Rapper, Schauspielerinnen oder TV-Moderatoren. Frisch im Ton, locker in der Sprache und inhaltlich ohne Tabu: Sex, Drogen, Depression – vor keinem Thema schreckt der Journalist zurück.
Das ist es wohl, was beim Publikum ankommt: Eine ungekünstelte Art, die frei ist von gesellschaftlichen Schranken, aber auch von politischer Zensur.
Die Verbrechen Stalins, Fehler des Sicherheitsapparats, das Verhältnis zu Europa: Juri Dud wagt sich an Themen, welche der russische Staat lieber unter den Teppich kehrt oder zumindest propagandistisch verzerrt.
Einkommen dank Online-Werbung
Interviews gibt Dud so gut wie nie. Er stellt lieber selbst Fragen. Inzwischen ist der stets leger, aber modisch gekleidete Journalist so populär, dass er von seinen Filmen leben kann. Als eine Art Ein-Mann-TV-Sender verdient er viel Geld mit Online-Werbung.
Dabei ist Dud nicht allein. Zahlreiche andere Videoblogger füllen inzwischen die Informationslücke, welche die staatlich gelenkten Medien in Russland hinterlassen. Sie berichten von Demonstrationen der Opposition oder sie interviewen kritische Schriftsteller wie Boris Akunin, der in staatlichen Medien kaum zu Wort kommt. Im Internet ist vieles noch möglich, was auf russischen Fernsehbildschirmen nicht geht.
Unter dem Radar der Medienwächter
Der Staat lässt Leute wie Dud bislang gewähren – vielleicht, weil sie gleichsam unter dem Radar der staatlichen Medienwächter fliegen. Die Reichweite der Blogger ist auf junge und urbane Schichten begrenzt. Die meisten Russinnen und Russen informieren sich traditionell im Fernsehen.
Das ändert sich allerdings zunehmend. Wie in anderen Ländern auch, schauen in Russland junge Leute kaum mehr fern. Das Smartphone hat das TV-Gerät abgelöst. Für staatlich kontrollierte Botschaften ist die nachwachsende Generation deswegen nur noch schwer erreichbar. Russlands Jugend informiert sich im Internet – unter anderem bei Leuten wie Juri Dud.