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Von Caracas bis Feuerland Südamerikas zahlreiche Krisenherde

Frustration und Wut über die Regierungen entlädt sich in vielen südamerikanischen Ländern. Ein Überblick, wo es brodelt.

Bolivien: Evo Morales war der dienstälteste Präsident des Kontinents. Bereits seit 2006 leitet der frühere Koka-Bauer im Amt. Nach der ersten Runde der Präsidentenwahl am 20. Oktober erklärte er sich direkt zum Sieger, obwohl verschiedentlich Zweifel angemeldet wurden. Nach heftigen Protesten hat Morales inzwischen seinen Rücktritt erklärt und ist ins Asyl nach Mexiko geflohen. Die Senatorin Jeanine Añez hat sich unterdessen zur Interimspräsidentin Boliviens erklärt.

Zwar florierte Bolivien unter dem linken Präsidenten, doch das zunehmend selbstherrliche und autoritäre Gehabe des indigenen Staatschef stiess immer mehr Bolivianern bitter auf. Vor allem die Menschen im wirtschaftlich starken Osten des Landes fühlen sich von Morales über den Tisch gezogen.

Argentinien: Der neu gewählte Präsident Fernández übernimmt Argentinien mitten in einer schweren Wirtschafts- und Finanzkrise. 2018 rutschten nach Angaben der Statistikbehörde 3.4 Millionen Argentinier in die Armut ab. Nun leben 35.4 Prozent der Menschen in dem südamerikanischen Land unterhalb der Armutsgrenze. Gewerkschaften und soziale Bewegungen fordern mehr Sozialmassnahmen und legen mit Protesten immer wieder die Hauptstadt Buenos Aires lahm.

Viele setzen ihre Hoffnung auf die ehemalige Staatschefin Cristina Kirchner, die als Vizepräsidentin nun wieder in die Regierung einzieht. Allerdings läuft gegen sie ein knappes Dutzend Ermittlungsverfahren wegen Korruption, ausserdem steht sie mit dem IWF auf Kriegsfuss. Die Rückzahlungsmodalitäten für den Rekordkredit des IWF über 57 Milliarden US-Dollar an Argentinien müssen nach dem Amtsantritt der neuen Regierung am 10. Dezember wohl neu verhandelt werden.

Chile: Das Land galt in Südamerika lange als Hort der Stabilität. Allerdings gibt es im reichsten Land der Region hohe Einkommensunterschiede: Vor allem Bildung und Gesundheitsversorgung sind sehr teuer.

Die heftigen Proteste entzündeten sich letztlich an einer relativ bescheidenden Erhöhung der Metro-Preise. Viele der Demonstranten fordern nun aber mehr: eine Abkehr vom neoliberalen Wirtschaftsmodell und eine grundlegende Reform der Verfassung, die noch aus der Zeit der Militärdiktatur von Augusto Pinochet stammt.

Venezuela: Seit Anfang des Jahres liefern sich Staatschef Maduro und der selbsternannte Interimspräsident Guaidó einen erbitterten Machtkampf. Maduro ist international weitgehend isoliert, hält sich mit Hilfe des Militärs aber weiter an der Macht. Guaidó wird auf dem internationalen Parkett zwar hofiert, kann sich in Venezuela selbst aber nicht durchsetzen.

Die humanitäre Lage in dem einst reichen Land mit den grössten Erdölreserven der Welt ist katastrophal. 4.5 Millionen der gut 30 Millionen Venezolaner haben das Land bereits verlassen. Vor allem das Nachbarland Kolumbien gerät bei der Aufnahme der Flüchtlinge und Migranten zunehmend an seine Grenzen.

Ecuador: Bei wütenden Protesten der indigenen Bevölkerung gegen die Streichung von Benzinsubventionen sind in Ecuador mehrere Menschen ums Leben gekommen, Hunderte wurden verletzt.

Die Kürzung der Subventionen für Treibstoff um jährlich 1.2 Milliarden Dollar war eine Auflage des IWF für einen Kredit von 4.2 Milliarden Dollar. Dadurch kostete der Liter Diesel plötzlich das Doppelte – vor allem indigene Bauern litten unter dem Preissprung. Mittlerweile hat die Regierung von Präsident Moreno zwar die Subventionsstreichung kassiert, das Problem der hohen Verschuldung und der sozialen Ungleichheit ist damit aber längst nicht vom Tisch.

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